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Nils Pickert, der Vater mit dem Rock im Interview

Wir haben Nils Pickert - den Vater, der für seinen Sohn Röcke trägt, zum Interview gebeten. Nils Pickert ist 33 Jahre alt, lebt in einer Langzeitbeziehung und ist Vater von zwei Kindern (eine 7 jährige Tochter und ein 5 jähriger Sohn). Er arbeitet als freischaffender Autor und Journalist und schreibt vor allem zu Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Kindererziehung, Religion und Atheismus und neue Väter.

Nils Pickert - Vater im Rock

FD: Viele Zeitungen und Webseiten haben über Sie bzw. den Vater, der für seinen Sohn Röcke trägt, berichtet. Haben Sie mit soviel Aufmerksamkeit gerechnet? Welche Reaktionen gab es darauf? Gab es auch negative Reaktionen? Wie sind sie als Familie damit umgegangen? 
Nils Pickert - Der Vater mit dem Rock
Nils Pickert: Der ganze Hype ist mir einfach passiert und war nicht geplant. Eine Bloggerin hat meinen Artikel dazu ins Englische übersetzt und von da an ist er einfach durch das Internet geschwappt. Ich war sehr überrascht von der Heftigkeit der Reaktionen und auch davon, wie persönlich die Leute reagieren. Grundsätzlich scheint es 3 Arten zu geben, darauf zu reagieren: Dafür, total dagegen oder mit Bedenken. Ich freu mich über Leute, die verstehen, was ich tue. An Leuten, die immer noch denken, wer Kleider trägt, ist schwul, kann ich nichts ändern. Und in Bezug auf die Bedenkenträger habe ich angefangen, Artikel zu schreiben und Interviews zu geben.
Auf meine Familie und mich hatte das kaum Auswirkung. Mein Sohn weiß worüber ich geschrieben habe und kennt das Bild. Ansonsten sind wir, wie wir immer waren – nur dass das jetzt ein paar mehr Leute wissen und sich dazu eine Meinung gebildet haben.

FD: Wir möchten von Ihnen aber auch gerne etwas über Sie als Vater erfahren. Wie alt waren Sie als Sie zum ersten Mal Vater wurden? Waren Ihre Kinder geplant?

Nils Pickert: Ich war 25 als meine Tochter geboren wurde und meine Kinder waren beide geplant. Genauer gesagt haben meine Lebensgefährtin und ich die Geburt unserer Tochter so geplant, dass sie in den Semesterferien zur Welt gekommen ist. So konnten wir uns beide die ersten Wochen ganz um sie kümmern und uns an die neue Situation gewöhnen. Es gibt so viele Dinge im Leben, auf die man überhaupt keinen planerischen Einfluss nehmen kann. Im Gegensatz zu unseren Großeltern verfügen wir inzwischen über das Privileg zu planen, wann wir Eltern werden. Ich finde, wir sollten es auch nutzen.

FD: Waren Sie bei der Geburt Ihrer Kinder dabei? Wie war das für Sie?

Nils Pickert: Na klar. Wenn ich als Mann gerne bei der Zeugung dabei bin, ist es ja wohl nicht zu viel verlangt, bei der Geburt anwesend zu sein. Es war ein Wunder. Es war intim. Es war atemberaubend schön. Als meine Lebensgefährtin allerdings eine Periduralanästhesie bekam, weil es beim ersten Kind nicht so recht weiterging, bin ich lieber rausgegangen und habe das Händchenhalten einer gemeinsamen Freundin überlassen, die in solchen Dingen einfach ein viel härterer Knochen ist als ich. Ich wollte ja beim Rest auch noch dabei sein und kein Ohnmachtsschläfchen halten

FD: Waren Sie in Elternzeit? Falls ja, wie waren Ihre Erfahrungen?

Nils Pickert: Wir haben unsere Kinder während des Studiums bekommen und es beide gemeinsam organisiert bekommen. Das war nicht immer einfach aber die richtige Entscheidung.

FD: Wie sehen Sie sich in der Vaterrolle? Hat Sie Ihr eigener Vater in Ihrem Vatersein beeinflusst?

Nils Pickert: Sicher hat mich mein Vater beeinflusst. Man(n) nimmt seine positiven Erfahrungen und versucht sie anzuwenden und man lässt seine negativen Erfahrungen liegen oder formt sie um, um es besser zu machen. Für mich ist Vatersein keine Rolle – eine Rolle spielt man. Es ist vielmehr ein großer Teil meiner Identität, den ich weder ablegen kann noch will.
 
FD: Vatersein und Mannsein – wie bringen Sie beides unter einen Hut? Wie hat sich Ihre Beziehung durch die Kinder verändert?

Nils Pickert: Für mich schließt sich beides nicht aus, deshalb muss ich mich auch nicht bemühen, es zusammen zu bringen. Ich bin vieles gleichzeitig – unter anderem auch Sohn, Bruder und Onkel. Es gibt absolut nichts am Vatersein, was irgendwie dazu geeignet wäre infrage zu stellen, dass ich ein Mann bin. Darüber hinaus bin ich auch noch Partner. Früher war ich in jemanden verliebt, der keine Kinder hat, jetzt liebe ich jemanden mit Kindern. Das passt insofern ganz gut, weil sie ja dasselbe durchgemacht hat.

FD: Beteiligen Sie sich aktiv an der Kindererziehung? Was ist ihre Motivation sich aktiv an der Kindererziehung  und Kinderbetreuung zu beteiligen? Wie sieht die Verteilung bei Ihnen aus?

Nils Pickert: Ich habe mich nicht dazu entschieden, Kinder in die Welt zu setzen, um mich dann nicht mit ihnen zu beschäftigen. Ich will mit meinen Kindern zusammen sein. Ich will wissen wer sie sind und wie es ihnen geht und ich will ihnen erzählen, wer ich bin und wie es mir geht. Wenn ich diese Dinge wissen will, dann muss ich in ihrer Welt präsent sein, Interesse zeigen und sie unterstützen. Und wenn ich möchte, dass sie mich kennen, muss ich Mittel und Wege finden, sie in meine Welt einzuladen.
Bei uns ist das ziemlich unkompliziert: Da ich freiberuflich tätig bin und meine Lebensgefährtin angestellt ist, mache ich viel von den alltäglichen Sachen mit den Kindern. Ich mache sie gerne und ich bin gut darin. Das ist ungefähr wie beim Kochen. Meine Lebensgefährtin kocht hervorragend. Sie hat allerdings weniger Zeit dafür als ich und sie mag es nicht, oft kochen zu müssen. Ich hingegen habe die Zeit und koche gerne und viel. Es passt glücklicherweise ganz gut zusammen.

FD: Gehen Väter mit Kindern anders um als Mütter?

Nils Pickert: Da wir in einer Gesellschaft leben, die uns in wenig flexible Konzepte von Männern und Frauen hineinsozialisiert, ist dem wohl so. Ich würde es allerdings umformulieren: Menschen sind im Umgang mit ihren Kindern höchst unterschiedlich. Ich kenne viele Männer, die mit ihren Kindern anders umgehen als ich mit meinen und ich kenne viele Mütter, die es ähnlich wie ich machen. Die Frage, ob ich mich deshalb weiblicher verhalte oder die Mütter eher männlich, finde ich recht uninteressant weil unerheblich. Geschlechtsübergreifend seine Erziehungskonzepte zu vergleichen und sich gemeinsam darüber auszutauschen, was es bedeutet Kinder zu haben, finde ich spannender.

FD: Worin sehen Sie die besonderen Aufgaben eines Vaters für eine gelingende Entwicklung der Kinder?

Nils Pickert: Es ist grundsätzlich eine besondere Aufgabe, Kinder zu erziehen. Wir tun uns keinen Gefallen damit, weiterhin daran festzuhalten, dass Vati am Wochenende mit den Kleinen mal kicken geht und Mutti für das Gefühlsleben des Nachwuchses zuständig ist. Manch einer beschwert sich zwar darüber, dass es schwierig geworden sei, zu wissen wo sein Platz ist. Das mag sein. Dabei übersehen sie allerdings, dass es vor allem um die Plätze geht, die wir gefälligst einzunehmen haben, weil das angeblich schon immer so war. Und wehe, wenn nicht.

FD: Sehen Sie Hürden und besondere Herausforderungen wenn man ein aktiver Vater sein will?

Nils Pickert: Wir sind leider noch in der Bewegung hin zu einer Gesellschaft, die eine aktive Beteiligung der Väter an Erziehungsarbeit und dem Leben ihrer Kinder nicht nur fordert sondern auch begrüßt. Viele der neuen Väter sind mit mehr oder weniger abwesenden Vätern aufgewachsen. Die Frage ist dabei nicht nur, was ich anders machen will, sondern auch wie.

FD: Laut einer aktuellen Studie ist Deutschland das kinderunfreundlichste Land in Europa. Wie sehen Sie das? Haben Sie Wünsche an Politik und Arbeitgeber zur Verbesserung der Familienfreundlichkeit?

Nils Pickert: Es gibt Umfragen, in denen sich die Eltern mehrheitlich für eine Senkung des Kindergeldes zugunsten kostenloser Betreuungsplätze aussprechen. Aber das Bedürfnis, in Deutschland zu jammern und nur Halbgares zustande zu bringen, ist scheinbar größer. Kinder bekommt man nicht so nebenbei. Kinder muss man sich leisten können, Familien müssen sich wertgeschätzt fühlen. Solange Kinderkriegen als Lücke in der Erwerbsbiographie verstanden wird und solange kinderlose Frauen in einem gewissen Alter bei einem Bewerbungsgespräch angeschaut werden wie tickende Zeitbomben wird Deutschland kinderunfreundlich bleiben. Und auch solange die Statistik noch immer in Kinder pro Frau gerechnet wird und es niemandem einfallen würde, nach Kindern pro Mann zu fragen bleiben wir in unseren Familienkonzepten statisch und vorurteilsbelastet. Es hilft nichts, Geld für schwachsinnigen Aktionismus auszugeben. Stattdessen würde es helfen, Kinder nicht nur als Funktion dieser Gesellschaft wahrzunehmen (potentielle Steuerzahler, Fachkräfte, Demoskopieerleichterung) sondern als Teil von ihr.
 
FD: Haben Sie Tipps für andere Väter? Was sollte sich kein Vater entgehen lassen?

Nils Pickert: Einfach seine Kinder. Es gibt unzählige erste Male, bei denen Mann dabei sein sollte. Und es gibt unzählige Ansichten und kleine Verrücktheiten, die in Kindern nur darauf warten, dass man(n) sie bestaunt, erhört und anzwinkert.

FD: Ganz spontan, was war einer der schönsten Momente mit Ihren Kindern?

Nils Pickert: Vorlesen, gemeinsam Kochen, jeder Urlaub, in die Bibliothek gehen, vom Dreier springen, Burgen bauen, Tanzen. Dabeisein ist meistens unfassbar schön. Gerade eben ist mir meine Tochter in den Arm gesprungen und hat mir gesagt, dass sie sich freut, mich zu sehen. Was soll ich sagen?!

FD: Wir haben noch einige Begriffe vorbereitet und es wäre toll, wenn Sie uns ein kurzes Statement zu jedem Begriff geben würden.

Nils Pickert:

Kinder sind die Menschen, zu denen man die tiefste und innigste Beziehung überhaupt entwickeln kann.

Vater sein/Eltern sein, heißt sich in all seiner Liebe und Fehlbarkeit denjenigen zu erkennen zu geben, die man in diese Welt gesetzt hat und für sie solange die Verantwortung zu übernehmen, bis sie sie selbst tragen können.

Vorbilder sind wichtig, sollten aber kritisch hinterfragt werden. Zum Beispiel haben Männer kaum weibliche Vorbilder. Warum eigentlich? 

Gleichberechtigung unter Menschen aller Rassen, Klassen, Formen, Religionen, Hautfarben, Geschlechtszugehörigkeiten und dergleichen sollte jedem Individuum moralische Verpflichtung sein. Gerade weil wir gleich an Menschlichkeit und verschieden an Ausprägung sind, sollten wir darauf achten, einander gleich zu berechtigen.

Wir danken für das interessante Interview und freuen uns zukünftig von Ihnen in Ihrer eigenen Kolumne auf Freshdads zu lesen.

Von Nils Pickert gibt es zwei schöne Bücher: Meeresrauschenund Stadtarboretum, beide sind auf Amazon erhältlich. Auch für rabeneltern.org hat er bereits einige Beiträge geschrieben, zu finden sind sie unter  Nils Pickert. Des Weiteren schreibt er auf diestandard.at die Kolumne Mann könnte ja mal und gemeinsam mit zwei Kolleginnen das Blog auf wireltern.ch.

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Nils Pickert ist gebürtiger (Ost-)Berliner, lebt und arbeitet als freier Autor und Texter in Süddeutschland. Er ist passionierter Koch und Vater zweier Kinder.

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