Blogeintrag

Es ist geschafft

leo

10 Monate haben wir uns darauf vorbereitet - 10 Monate hat man sich ausgemalt, wie es wird wenn das Baby kommt - 10 Monate hat man im Kopf vieles durchgespielt und ja, es wird alles anders. Aber ich fange mal von vorne an:

Nachdem wir schon einige Tage über dem Geburtstermin waren und sich Samstags mittags schon langsam angekündigt hat, dass es am Wochenede passieren kann, sind wir noch auf einen ausgiebigen Spaziergang gegangen. Bewegung soll ja bekanntlich die Wehentätigkeit unterstützen bzw. anregen, was auch nicht lange auf sich warten ließ. Leichte erste Wehen setzten regelmäßig an. Es war eine intime, vertraute und beruhigte Athmosphäre in der wir uns den ganzen Tag bewegten. Wir liefen entspannt durch die Stadt und hielten alle 15 Minuten inne um die noch leichten Wehen zu verarbeiten. Dazwischen erholten wir uns entspannt auf einer Parkbank und lauschten abwesend den Großstadtgeräuschen - es kehrte eine automatische innere Ruhe ein, die mich langsam auf das vorbereitete was noch kommen sollte.

Gegen späteren Nachmittag gingen wir nach Hause und meine Frau entspannte sich am Sofa, während ich in der Küche was brauchbares zum Essen zu zaubern versuchte. Ich ertappte mich dabei, regelmäßig aus der Küche ins Wohnzimmer zu wandern um noch nach dem Rechten zu sehen. Die Wehen wurden heftiger und kamen mittlerweile in kürzeren Abständen. Um uns zu versichern riefen wir kurz in der Klinik an - schilderten die Lage und erkundigten uns, wann wir denn in die Geburtsklinik fahren sollten. Wir wollten uns nur nicht zu früh auf den Weg machen, damit wir nicht unnötige Zeit im Spital verbringen. Daraufhin nahm sie noch ein Vollbad und wir gönnten uns ein entspanntes Abendessen mit einem ausgiebigen Dessert. Als die Wehen heftiger und öfters kamen fing ich an die Zeiten und die Dauer zu messen und zu protokollieren.

In der Zwischenzeit packten wir unsere Kliniktasche zusammen und verstauten noch die letzten Dinge und legten alles bereit. Meiner Frau ging es gut, sie war erstaunlich ruhig und versuchte immer mehr die Wehen zu veratmen, wollte aber noch etwas Zeit zu Hause verbringen. Da die Wehen mittlerweile alle 5 Minuten und mit ca. 45 Sekunden Länge durch ihren Körper fuhren, riefen wir nochmal in der Klinik an, die uns klar machten, dass wir uns sofort auf den Weg machen sollten. 

Gegen 10 Uhr abends gingen wir gemeinsam durch Stiegenhaus auf die Straße auf dem Weg zum Auto - die Nachtschwärmer, denen wir begegneten sahen uns mit großen erstaunten Augen an. Wir stiegen ins Auto und ich fuhr konzentrierter, wie nie zuvor in meinem Leben in die Klinik. Ich versuchte alles auszublenden und mich auf den Verkehr und die Anfahrt zu konzentrieren. Als mittlerweile die Wehen alle 3 Minuten mit 1 Minute kamen, wurde ich etwas nervös und stieg aufs Gas - die 20 Minuten Anfahrt in die Klinik werde ich so schnell nicht vergessen. 

Wir brauchten 3 Wehen bis wir es über die 10 Stiegen in die Aufnahme schafften. Die herbeigerufene Hebamme machte sofort ein CTG und erste Untersuchungen und meinte, dass es schon längst Zeit ist, dass wir kommen. Die Herztöne und Wehentätigkeit wurde als gut bezeichnet - nach den organisatorischen Papierkram wurden wir aufgenommen und bekamen ein schönes Zimmer.  Nach einem schnellen Einlauf und ersten Einweisungen krümte sich meine Frau alle 2-3 Minuten vor Schmerzen.

Ich erledigte die ersten Anrufe um den wichtigsten Freunden und Verwandten mitzuteilen, dass es losgeht und wir diese Nacht den lang ersehnten Familienzuwachs bekommen werden. Die Eltern und Freunde waren nervöser und aufgeregter, als wir zwei, worauf ich beschloss das Telefonieren wieder einzustellen und versuchte so weit es geht wieder um meine Frau zu kümmern. Die Momente der ihrer größten Schmerzen, waren  meine hilflosesten. Wir Männer wollen immer tun, machen, handlen, organisieren und Probleme lösen - nur hier gibt es wenig, was wir tun können - vor allem können wir den Schmerz nicht beseitigen und deine Frau so leiden zu sehen ist wirklich schwer.

Sie war trotz der Schmerzen ausgesprochen tapfer und gefasst. Ich verssuchte sie mit Wasser zu versorgen, ihr Mut zuzusprechen und sie wenn es notwendig war zu stützen, wenn der Schmerz in ihrern Körper fuhr. Gegen Mitternacht sagte mir die Hebamme unter vier Augen, dass es sehr gut vorangeht und das Baby in den nächsten Stunden kommen wird. Inzwischen wurden ihr die Schmerzen aber zu stark und sie bat inständig um eine Schnmerzbehandlung. Sie wollte nichts merh von Vor- oder Nachteilen, oder sonstigen möglichen Nebenwirkungen hören, sondern nur das der Schmerz endlich gelindert werden würde.

Die Hebamme brachte uns 3 Stunden nach unserem Eintreffen in den Kreissaal, wo nach einer weiteren schmerzvollen Stunde die PDA gesetzt wurde. 10 Minuten später war der Schmerz großteils betäubt und die starken Wehen nicht mehr wirklich spürbar. Sie konnte sich vorerst weitgehend entspannen. In der Zwischenzeit wurden die Wehen derart intensiv, dass sich am CTG sichtbar, das Kind nicht mehr wohl fühlte. Daraufhin begannen die Ärzte schnell ein wehenreduzierendes Mittel zu spritzen, damit das Wohl des Kindes nicht gefährdet wird. Das Mittel sollte kurzzeitig dem zu starken Druck entgegenwirken und dannach wieder in "normalen" Wehen münden. Leider konnte trotz allen Anstrengungen und nochmaligen Wehenfördernde Mittel die Wehentätigkeit nicht mehr ausreichend angeregt werden. Die Ärzte informierten uns, dass das Baby nicht im Geburtskanal tiefer rutscht und die Herztöne nicht so stabil sind, wie sie sein sollten. Wir versuchten noch 15 Minuten lang durch Beckenbewegungen und Gewichtsverlagerungen die Wehen zu fördern und das Baby ausreichend in Position zu bringen. Die Ärzte drängten auf einen Kaiserschnitt um die Gesundheit des Babys nicht zu gefährden. 

20 Minuten später standen wir gemeinsam im OP und ich versuchte so gut, wie möglich meine Frau zu beruhigen, die natürlich Angst um unser Baby hatte. In dem Moment als ich im OP-Kittel vor dem Operationstisch stand, lief nochmal kurz in Zeitraffer unsere letzten 10 Monate vor mir ab und ich bettete zu Gott, dass alles gut gehen möge. Abgetrennt vom Sichtschutz konnte ich von der Operation nicht viel mitbekommen. Der Tisch wackelte als sie an ihr herumwerkten und versuchten das Baby aus ihrem Körper zu holen. Ich streichelte ihr Gesicht und wischte ihr die Tränen ab. Ein paar Minuten später drang ein gellender Schrei durch den Saal und eine riesen Erleichterung machte sich breit.

Dann ging alles ganz schnell - ich hielt mein Baby blutig und mit Käseschmiere übersät in meinen Armen und war überwältig - ich konnte gar keinen klaren Gedanken fassen. Instinktiv zählte ich alle Fingerchen und Zehchen und brachte ihn gemeisam mit dem Kinderarzt in den Nebenraum. Etwas ungläubig und zittrig durfte ich nochmals die Nabelschnur symbolisch durchschneiden. Ich stand etwas neben mir und starrte auf meinen kleinen Zwerg der vor mir lag und aufgeregt brüllte. Dieses Schreien erfühlte mich mit tiefster Liebe und machte mich zum glücklichsten Menschen. Es war geschafft und nach den ersten Untersuchungen fiel mir ein riesen Stein vom Herzen. Da er noch etwas überanstrengt war mußte er noch für 30 Minuten in den Brutkasten - ich wich keine Sekunden von seiner Seite - beobachtete ihn ungläubig durch die Glasscheibe und streichelte ihn sanft durch die Öffnung an der Seite. Danach brachte ich ihn endlich zur Mama, die in der Zwischenzeit versorgt und genäht wurde. Wir saßen noch Stunden gemeinsam im Aufwachzimmer -völlig übermüdet und geschafft, aber glücklich das Leben zu dritt beginnen zu können.

Es war geschafft - jetzt kann unsere neues Leben in meiner kleinen Familie losgehen.    

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