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Große Kinder, leichte Ranzen

Die Kinderkrippe war der erste große Schritt meines Kindes in ein Leben ohne mich. Der Kindergarten war Level 2. Jetzt kommt mein Sohn in die Schule und ich nicht drüber hinweg, wie groß er ist.

Einschulung

“Mei wie groß sie geworden ist!” Ein Satz, den man schon als Kind beginnt zu hassen, wie Kaffeekränzchen mit den Großeltern. Vielleicht auch, weil beides gern in Kombination auftritt. Erst vergangenes Wochenende kam ich mal wieder in den Genuß dieses Satzes. Dabei sähe ich aus, wie 22, hieß es. Naja, wenn das ein fast 80 Jähriger zu dir sagt, ist es ein etwas zweifelhaftes Kompliment. Die zehn Jahre machen für ihn ja nicht wirklich einen Unterschied und bedeuten eigentlich eher, dass er dich in den Bereich “Jugendliche - noch grün hinter den Ohren” steckt.

Mein Sohn aber gibt mir die nötige Reife. Wieviele 22 Jährige laufen einem schon mit einem fast 7 Jährigen Kind entgegen. Er ist wirklich groß geworden. Zum Abschlussfest im Kindergarten bekam er einen Ordner über seine Kindergartenzeit mit nach Hause. Fotos von ihm von vor zwei Jahren befinden sich darin. Ein kleiner Junge grinst mir da entgegen, während neben mir auf der Couch ein Junge mit Haaren an den Beinen sitzt. Ist das das selbe Kind?! Und woher kommen plötzlich diese Haare? Er sieht aus, wie ein kleines, schlecht gerupftes Hühnchen! Es sind Mini-Männerbeine mit immer aufgeschürften Knien.
Dankenswerterweise bekam er neben diesem Ordner auch eine gigantische Schultüte vom Kindergarten mit auf seinen Weg. Ich glaube ja, dass diese Schultüten nur erfunden wurden, um den Eltern das Gefühl zu geben, dass ihre Kinder doch noch sehr klein sind. Die viel zu großen Schultaschen tun ihr Übriges. Ein optischer Trick, der die Tränen der Mutter fließen lässt!

Das haarige Kind hat Pläne: Wenn die Schule erst losginge, erklärt er mir, müsse er früher aufstehen morgens. Ich möge dann bereits gut gelaunt am Frühstückstisch sitzen und ihm sein Müsli bereiten. Er würde mir dabei erzählen, was er heute in der Schule vor habe zu lernen. Schließlich würde er seinen Schulranzen umschnallen, beim Nachbarsjungen (3. Klasse) klingeln und mit ihm gemeinsam zur Schule gehen. Ich solle auf dem Balkon stehen und ihm hinterherwinken. Mein Bestmögliches werde ich tun, um ihm dieses Bild zu verwirklichen. Die Erzieherin im Kindergarten hat mir bereits vor Monaten mitgeteilt, wir sollten doch das frühe Aufstehen schon mal üben. Das Kind müsse sich schließlich erst daran gewöhnen, so früh schon fit zu sein. Tatsache ist: Das Kind selbst ist bereits um halb 7 Uhr morgens wach, während ich konsequent den Wecker und mich zurück in den Schlummermodus schicke. So reif der Junge schon ist, ich bin reifer. Überreif! So reif, dass ich meinen Schlaf brauche! Ich bin 22!
Die Schulzeit wird eine Herausforderung. Für uns alle. Während das künftige Schulkind also probehalber seine Schultasche durch die Wohnung trägt und dabei immer wieder lautstark die Rückenpolsterung und das geringe Gewicht des Ranzens lobt, übe ich mit geschlossenen Augen Müsli in eine Schüssel zu kippen. Mit oftmals mäßigem Erfolg.

Was tatsächlich alles auf uns zu kommt, wie unser Alltag aussehen wird, wie wir uns alle einfinden werden, welche Maßnahmen an welcher Stelle ergriffen werden sollten, wann wir morgens aufstehen werden, welches Müsli sich blind am einfachsten einfüllen lässt und wie schwer so eine leichte Schultasche mit Inhalt sein kann - wie immer haben wir keine Ahnung. Aber das begann ja schließlich schon, als ich vor sieben Jahren erfuhr, dass ich schwanger bin.

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Freshmom ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 6 und 4 Jahren. Sie ist 31 Jahre alt, (fast) geschieden und lebt in München. Ihre Mutter bezeichnete sie als "Brauseköpfchen", Sie selbst würde sich als eine Mischung aus einer abgedrehten 17 Jährigen und einer 40 jährigen Hobbypsychologin beschreiben. In Ihrer Kolumne erzählt Sie aus Ihrem Alltag und Ihrem bewegten Leben. Sie wird für uns nicht nur die Wohnungstür, sondern auch hin- und wieder die Schlafzimmertür einen Spalt aufmachen.

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