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Hauptsache Party
Sommerfest im Kindergarten. Es gibt ja Eltern, die gehen in dieser Situation komplett auf. Ich nicht. Gut, dass in diesem Jahr auch Bier am Getränkestand verkauft wird.
Vorweg nochmal betont: Ich liebe meine Kinder. Dass ich das überhaupt erwähnen muss, ist eigentlich schon furchtbar genug. Aber ich sage jetzt etwas Unpopuläres: Was ich nicht liebe, sind Kindergartenfeste. Unser Kindergarten besteht aus fünf Gruppen mit durchschnittlich 18 Kindern. Jedes dieser Kinder bringt durchschnittlich 3 Personen mit zu diesem Fest. Papa, Mama, Schwester, Bruder, Oma, Opa, … Das sind mir im Durchschnitt viel zu viele durchschnittliche Menschen. Dabei steh ich ja total auf Parties und Sommer! Das Publikum ist der entscheidende Faktor.
Ich versuche mich also bereits am frühen Nachmittag in Stimmung zu bringen, um das gleich folgende Gekreisch, den unsagbar trockenen Zucchini-Karotte(oder Kartoffel?!)-Kuchen, die Dankesrede der Kindergartenleiterin, die “lustigen” Kinderlieder, das Gestreite an der Schaukel und die Problematik mit den Essensmarken würdevoll ertragen zu können. Ich trinke also ein Bier. Es läuft immer gleich ab bei uns: Bereits Wochen vorher sollte man sich im Büro Essensmarken kaufen gehen. Es gibt drei verschiedene, rot, gelb und grün für 0,50, 1 und 2 Euro. Warum der Kindergarten davon ausgeht, dass man nicht imstande ist diese Geldstücke im Rausche des Festes auseinanderzuhalten, ist mir zwar ein Rätsel, aber ich bin ja zu jeder überflüssigen Schandtat bereit. Selbstverständlich hatte ich die letzten Wochen nie Geld dabei, bzw. das Büro nicht geöffnet oder ich nicht dran gedacht oderwasauchimmer... Wir haben natürlich keine Marken. Dankenswerterweise wurde mittlerweile - und ich habe den grässlichen Verdacht, speziell für mich - beim Fest selbst ein extra Stand aufgemacht, an dem man diese Marken nachkaufen kann. Erstes Problem gelöst, man muss nur konsequent genug verweigern. Ich habe mich vorbildlich eingetragen einen Kuchen mitzubringen. Unter völliger Missachtung der Tatsache, dass ich gar keine Zeit haben werde, den noch schnell zu backen. Also verlege ich mich darauf ein paar Bananen zu halbieren, auf Holzstäbchen zu stecken und in Schokosauce zu tunken. Keine Arbeit, großer Effekt! Leider fällt mir erst kurz bevor ich mich auf den Weg zum Kindergarten mache auf, dass es nun aussieht, als würde ich einen Haufen Schokopenisse darreichen wollen. Ein paar Glitzerperlen und anderer Verzierkram soll dieses Missverständnis schmälern. Erfolglos. Ich öffne ein zweites Bier und mache mich mit meinem Beate Uhse Teller auf in die Schlacht. Irritierte Blicke am Essensstand. Betont selbstbewusster Gesichtsausdruck auf meiner Seite.
Die Veranstaltung wird eröffnet durch eine “kleine Rede” der Kindergartenleiterin. Immer gleich. Mikrofon-Test “Test, test, 1, 2... ffffft” (ich verstehe nicht, warum Menschen in ein Mikro pusten. Wozu? Das macht den Ton nicht besser.). Rückkopplung. Nervöses Gelache. Vom Lautsprecher weggeschoben werden. Mehrfaches, viel zu lautes Starten der Musik für die gleich folgende Aufführung der Kinder. Dann: “Liebe Eltern, liebe Kinder, ich möchte Sie - auch im Namen aller Kolleginnen - recht herzlich... “ ich schließe die Augen “... und auch nochmal ganz herzlich bedanken bei allen, die mitgeholfen haben, dieses Fest... ” vermutlich gibt es irgendwo auf dieser Welt ein Skript, das seit Jahrzehnten an sämtliche Kindergartenleiter ausgeteilt wird und das jeder von ihnen ein Mal im Jahr aufsagen... “... Zum Schluss noch ein organisatorischer Hinweis: Die Toiletten... ” ich wünschte, ich hätte mehr Bier. “... dann will ich gar nicht mehr dazu sagen und warte noch auf ein Zeichen der Erzieherinnen, dass es losgehen kann... “ Herrgott, schickt die Kinder endlich rein und lasst sie tanzen!!
Ein unübersichtlicher Schwarm Kinder strömt in den Garten und in meinem Rücken dröhnt aus dem Lautsprecher ein entsetzliches Kinderlied inklusive kreischendem Kinderchor (als wären hier nicht schon genug Anwesende), selbstverständlich völlig übersteuert und ohrenbetäubend. Eltern wie Kinder klatschen gegen den Takt und wackeln albern mit dem Gesäß dazu. In all dem Gewühl erkenne ich meine beiden Kinder und stoße meinen Ex-Mann neben mir an. Er hat sich extra den Nachmittag frei genommen, weil unser Sohn ihn inständig gebeten hatte, doch seine Aufführung mitzuerleben. Ich rechne ihm das sehr hoch an. Die “Aufführung” besteht dann darin, dass unser als Hummel verkleidetes Kind zusammen mit einigen anderen Hummeln zur Eröffnung des Festes wie wild durch den Kreis rennt und mit den Ärmchen wackelt. Wir sind hingerissen. Meine Tränendrüse drückt. Er strahlt uns stolz an, wir strahlen noch stolzer zurück und winken ihm, genauso affig, wie alle anderen Eltern ihren Kindern, zu. Ich mache ein Video mit meinem Handy und fange auch unsere Tochter ein, die neben einer Erzieherin steht und (vermutlich als einzige taktsicher) ihren kleinen Hintern hin und her schwingt und singt.
Die Eröffnung des Festes ist geglückt, nun wird durch den Garten gestromert. Es gibt verschiedene Spielstationen, unsere Kinder zerren uns zu jeder einzelnen. Der Sohn mit dem Papa, die Tochter mit der Mama treten gegeneinander an. Es sind alberne Spiele, aber lustig! Die Kinder haben einen mords Spaß und freuen sich, dass wir alles motiviert mitmachen. Beim Schubkarrenrennen steht ein Mädchen traurig am Rand und zerrt an der Hand ihres Vaters. Sie möchte auch mitmachen, aber der Vater sagt: “Ich mach mich doch nicht zum Affen und setz so nen scheiß Hut auf, ey.” Demonstrativ setze ich mir, mit ihm Augenkontakt haltend, den mit Blumen verzierten Hexenhut auf den Kopf und packe entschlossen die Schubkarrengriffe. Ja, auch ich habe manchmal ein cooleres Leben. Aber nicht heute. Heute ist Kinderfest!
Am späten Nachmittag habe ich mich für eine Stunde zum Kuchenverkauf eingetragen. Kaum jemand hatte seinen Namen auf die Liste gesetzt. Feiern: ja. Mithelfen: och nö. Aber nachdem jemand mich von der Liste für das Kinderschminken gestrichen hatte (vermutlich wegen des Vorfalls und meiner Talentlosigkeit im vergangenen Jahr), wusste ich sowieso nichts mit meiner Zeit anzufangen. Neben mir eingeteilt ist eine Mutter, die ich zur Abwechslung mal ganz nett finde. Normalerweise bin ich ja eher auf der Väter Seite und wenig Buffet-bedien-freudig. Aber diesmal holen wir beide uns ein Bier am Getränkestand und plaudern über gemeinsame Bekannte aus früheren Zeiten. Lustige Überschneidungen und ein paar dreckige Geschichten gibt es da. Wir preisen nebenher den Kuchen und meine Schokopenisse an, wie die Marktschreier auf dem Hamburger Fischmarkt und es macht tatsächlich Spaß. Deshalb bin ich auch überrascht, als mein Ex-Mann irgendwann an den Stand kommt und erklärt, er würde mit den Kindern jetzt mal nach Hause gehen, sie seien schon ganz müde und wollten den Sandmann nicht verpassen.
Das Fest leert sich, der übriggebliebene Kuchen wird unter den Helfern aufgeteilt, jeder schnappt sich noch ein paar Wiener Würstchen und ein Bier, dann werden alle Tische zusammengeklappt, noch ein paar herzliche Witze ausgetauscht. Am Ende sind wir alle per Du, haben uns für demnächst zum Grillen verabredet und ich bin mitunter die Letzte, die die Party verlässt. In der einen Hand ein riesiger Teller voller Kuchen, in der anderen ein letztes Bier, schwanke ich beseelt nach Hause. Unterwegs begegne ich dem Schubkarren-Verweigerer. Er trägt jetzt eine enge, hautfarbene Radlerhose und setzt sich gerade seinen altrosa Manner-Waffel Fahrradhelm auf. Ich lache. Affig. Wenn ich jetzt nur nicht noch so dringend auf´s Klo müsste. Wär ich mal gegangen bevor ich mich auf den Heimweg machte!
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Freshmom ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 6 und 4 Jahren. Sie ist 31 Jahre alt, (fast) geschieden und lebt in München. Ihre Mutter bezeichnete sie als "Brauseköpfchen", Sie selbst würde sich als eine Mischung aus einer abgedrehten 17 Jährigen und einer 40 jährigen Hobbypsychologin beschreiben. In Ihrer Kolumne erzählt Sie aus Ihrem Alltag und Ihrem bewegten Leben. Sie wird für uns nicht nur die Wohnungstür, sondern auch hin- und wieder die Schlafzimmertür einen Spalt aufmachen.
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