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Jungen brauchen bessere Vorbilder - Hirnforscher fordert anderes Vaterbild

Ein interessantes Gespräch zum Thema "Jungs sind anders als Mädchen" führte Patrick Körber vom Wiesbadener Kurier mit dem bekannten Hirnforscher Professor Gerald Hüther. Die Jungen gelten als die neuen Sorgenkinder.  Das gesamte Interview kann man auf der Website des Wiesbadener Kuriers nachlesen.

... Heute hat sich das Blatt gedreht und es sind die Jungen, die in Schulen, in der Ausbildung, bei der Gesundheitsvorsorge und im sozialen System viel schlechter zurechtkommen als Mädchen. Woher kommt das Problem?

Biologisch gesehen ist das männliche Geschlecht das schwächere Geschlecht. Männern fehlt das zweite X-Chromosom. Sie werden gewissermaßen ohne Ersatzrad in die Welt geschickt. Und wenn man schwächer und anfälliger ist, muss man irgendwie versuchen, im Außen Halt zu finden.

Wie äußert sich das bei Jungen?

Sie suchen mehr nach Aufmerksamkeit, sozialem Status und nach Gestalten, an die sie sich anlehnen können. Jungen haben auch ein starkes Bedürfnis nach Aufgaben, an denen wachsen können. Mit dem, was in der Schule passiert, mit der Erfüllung von Pflichten und dem Einhalten von Regeln ist für sie kein sozialer Status, keine besondere Beachtung und Anerkennung erreichbar.

Kindergarten und Schule werden diesen Bedürfnissen wohl kaum gerecht. Was müsste sich ändern?

Die Jungen brauchen bessere Vorbilder. Dazu müsste sich das Selbstverständnis von Vätern zu ihren Jungs ändern. Jungen, die ein gutes Verhältnis zu ihren Vätern haben, sind weniger destruktiv. Weniger auffällig und weniger anfällig, übrigens auch für mögliche Annäherungsversuche von Päderasten.

Wie löst sich aber das Problem, dass es im Kindergarten fast nur Erzieherinnen und in der Grundschule überwiegend Lehrerinnen gibt?

Wenn sich ein neues Verständnis in unserer Gesellschaft von Vatersein entwickelt hat, werden auch mehr Männer wieder Erzieher oder Grundschullehrer sein wollen. Richtige Väter braucht das Land, dann wachsen auch richtige Männer nach.

Aber es ändert sich doch schon was, immer mehr Männer nehmen Elternzeit…

Ja, viele Männer bleiben tapfer für ein Jahr zu Hause, atmen aber auf, wenn sie wieder arbeiten gehen dürfen. Manche erleiden eine Identitätskrise in der Elternzeit. Es ist schwierig für die meisten Väter, ihre Rolle als Vater für bedeutsamer zu erachten als ihren Job.

Wird die Schule denn den Mädchen gerecht?

Ich fürchte nein. Immer mehr Mädchen nehmen Verhaltensweisen von Jungs an. Sie agieren hierarchisch, mobben Mitschüler und entwickeln eine zum Teil brutale Destruktivität gegenüber anderen. Das sind alles keine Anzeichen dafür, dass es den Mädchen viel besser geht als den Jungs.

Wie lässt sich diese Destruktivität angehen?

Kinder brauchen dreierlei: erstens Aufgaben, an denen sie wachsen können, zweitens Gemeinschaften, zu denen sie sich zugehörig fühlen und drittens Vorbilder, die ihnen helfen, Aufgaben und Gemeinschaften zu finden, die günstig für ihre weitere Entwicklung sind. Also keine Gemeinschaften in Chatrooms oder in Computerspielen. Kinder und Jugendliche haben das Bedürfnis nach Verbundenheit und Zugehörigkeit und nach Autonomie und Freiheit. Beides lässt sich dann nur stillen, wenn sie die Erfahrung machen, wie schön und wie beglückend es ist, gemeinsam mit anderen etwas entdecken, etwas gestalten oder sich um etwas kümmern zu können.

Sollten wir Mädchen und Jungen wieder getrennt unterrichten?

Schon wieder so ein Extrem. Es ist doch wichtig, dass sich Jungs und Mädchen in der Schule in ihrer Unterschiedlichkeit begegnen können und Erfahrungen austauschen, wie sie das Leben gemeinsam gestalten können. Weil das bisher kaum stattgefunden hat und sie in unserer Wettbewerbsgesellschaft ständig aufeinander gehetzt werden, haben sich beide Geschlechter schon weit voneinander entfernt. Sie sollten lieber lernen, die Besonderheiten des anderen zu schätzen.

Wie wichtig sind Väter eigentlich für Mädchen?

Sie sind genauso wichtig. Auch Mädchen brauchen männliche Vorbilder. Oft suchen sich Mädchen, die ein positives Vaterbild haben, Partner, die so ähnlich wie der Vater sind.

Sollte man im Falle einer Trennung der Eltern das Sorgerecht also lieber auf die Väter übertragen?

Das ist doch auch keine bessere Lösung. Man müsste Mutter und Vater ermutigen und dabei unterstützen, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Kinder lieben immer beide Elternteile und sind bereit, sich dafür aufzuopfern, damit es den Eltern gut geht. Viele Kinder sind offenbar stärker bereit, sich hinzugeben als ihre Eltern.

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Das gesamte Interview kann man auf der Website des Wiesbadener Kuriers nachlesen.

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