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Vaterschaft keine einfache Entscheidung
Möchte ich Familie haben? Wann ist der passende Zeitpunkt für ein Kind? Wieviele Kinder möchte ich? Diese Fragen stellen sich heutzutage viele Männer, obwohl Familienfragen üblicherweise den Frauen zugeschrieben werden.
Ein Schweizer Forscherteam an der Universität Basel ist nun der Frage nachgegangen, wieso manche Männer Kinder bekommen und andere nicht?
Dazu wurden 60 qualitative Interviews mit Schweizer Akademikern zum Thema Vaterschaft geführt. Die Hälfte davon waren Väter, die andere Hälfte hatte keine Kinder und setzte sich aus drei verschiedenen Altersgruppen zusammen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass eine Kinderlosigkeit von Männern als rechtfertigungsbedürftig angesehen wird. Obwohl sie selten danach gefragt werden, warum sie keine Kinder wollen bzw. haben, sehen sie sich in der Situation ihre Kinderlosigkeit erklären und rechtfertigen zu müssen. Die Forscher erkennen in diesem Ergebnis den Hinweis auf ein geschlechtsübergreifendes gesellschaftliches Wertgefüge. Es gilt als Normalität, Kinder zu wollen und zu bekommen. Wenn man auf Dauer keine Kinder hat, muss man es begründen.
Bei vielen Männern wurde deutlich, dass sie nicht wissen, ob sie nun Kinder wollen oder nicht. Einer konkreten Entscheidung wird gerne ausgewichen, somit legt man sich nicht fest und lässt die Frage unbeantwortet.
Vaterwerden ist heutzutage eine Option und kein relativ fix festgelegtes Ereignis, da es sichere Verhütungsmittel gibt. Infolge dessen hinterfragen Männer diese Entscheidung: Was bedeutet es für mich, Vater zu werden? Was sind die Konsequenzen? Welche Voraussetzungen gilt es zu erfüllen? Welche Erwartungen gibt es an die Vaterrolle? Was für ein Vater will ich sein? Die Interviews zeigen, dass bereits das Vaterwerden ein Prozess ist, sofern es nicht einfach aus Unachtsamkeit passiert. Viele kennen wahrscheinlich die Aussage „Ich fühle mich noch nicht bereit zum Vatersein“ von sich selbst oder aber von befreundeten Männern. Mit Vaterschaft wird der Eintritt in eine andere Lebensphase verbunden, es geht um Anforderungen und Verantwortung, denen man gerecht werden möchte und auch um Aufgeben von Freiheit, Unabhängigkeit und Ungebundenheit. Man will sich bereit und reif genug fühlen für diese neue Lebensphase. Beeinflusst wird dieser Prozess des Bereitfühlens, durch die persönliche Reife, bisherige Erfahrungen mit Kindern und besonders durch die Beziehung zur Partnerin (Qualität und Stabilität).
Die Interviews zeigen, dass Männer das Vorhandensein einer Vater-Kind-Beziehung, als Aufgabe sehen und diese nicht selbstverständlich da ist. Dahingegen schreiben sie Frauen das Vorhandensein der Mutter-Kind Beziehung automatisch zu, da sie bereits während der Schwangerschaft und im Laufe der Stillzeit eine innige Entwicklung zum Kind entwickeln. Deutlich wird bei den Interviews auch, dass das Bild von Vaterschaft sich verändert. Gefragt ist nicht mehr die traditionelle Vaterrolle, des meist abwesenden Vaters, sondern ein Vater, der aktiv, emotional zugewandte und möglichst präsent ist. Diese neue Vaterrolle wird von den Männern als gesellschaftlich gewünschtes Leitbild begriffen und meist ist dieses neue Vaterbild Teil des eigenen, individuellen Selbstverständnisses.
Männer sehen sich vor der Herausforderung, einerseits diesem neuen Vaterbild (aktiv, emotional zugewandt, etc.) zu entsprechen, aber auch der Rolle des Ernährers gerecht zu werden. Obwohl Frauen zunehmend erwerbstätig sind, fühlen Männer sich dadurch nicht entlastet. Einige Interviewpartner nannten „das Leben aktiver Vaterschaft“ als Bedingung für die Familiengründung. Wenn Vater sein, dann bitte richtig. Damit verbinden sie die Einschränkung der Erwerbstätigkeit, da man ein präsenter Vater sein möchte. Doch nicht alle Männer können sich damit anfreunden. Sie entscheiden sich gegen Kinder, bis ihre berufliche Situation es erlaubt, dass sie auch aktive Vaterschaft leben können. Männer in der heutigen Zeit werden mit einem Spannungsfeld von Beruf und Familie konfrontiert. Das Festlegen auf eine Familie ist für viele mit Ängsten und Ambivalenzen verbunden. Männer, die sich für Kinder entscheiden, wollen für ihre Kinder präsent sein, sehen sich aber auch als Versorger der Familie. Im Zuge dieser Studie fand man in Basel eine Beschreibung für diesen neuen Vater: Der „emotional, involvierte, präsente Ernährer-Vater“.
Quelle:Vater werden ist nicht schwer... Diana Baumgarten, Karsten Kassner und Nina Wehner. Universität Basel, genderstudies.
http://genderstudies.unibas.ch/forschung/forschungsprojekte/vaterschaft-...
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