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Zum Wohl

Männer gehen ja zumeist sowieso nicht gerne zum Arzt. Das verträgt sich schlecht mit den eigenen Unverwundbarkeitsphantasien. Wenn sie aber Vater werden, sitzen sie plötzlich doch in Wartezimmern und werden mit Medizinern konfrontiert. Was dann folgt, ist oft nicht einfach – auch für die Väter nicht.

Kleinkind Kinderarzt

Wenn Ihr Kind die ersten sechs Monate voll gestillt wird, genießt es ein ganzes Jahr Nestschutz. In diesem Jahr kann Ihr Kind selbstverständlich trotzdem krank werden, Schnupfen haben und ganz und gar unleidlich sein. Dennoch müssen viele Eltern nach dem ersten Jahr feststellen, dass sich dies noch steigern lässt und ihr Kind ganz plötzlich wieder und wieder krank wird. Es profitiert nicht mehr vom Immunsystem der Mutter und muss stattdessen ein eigenes aufbauen. Ernährungstechnisch wird ihm mehr und mehr zugemutet.  Die Erkältungen hören nicht mehr auf, die Nase ist immer zu und wann es das letzte Mal halbwegs vernünftig geschlafen hat, wissen die Eltern auch nicht mehr genau.

Deshalb ist es umso wichtiger, einen Kinderarzt oder eine Kinderärztin zu finden, mit dem sich die ganze Familie wohlfühlt. Ein guter Kinderarzt wird dem Vertrauen, das Sie in ihn setzten gerecht, indem er Sie ernst nimmt und Ihnen zuhört. Eine gute Kinderärztin merkt sich den Namen ihres Kindes, spricht es direkt an und versucht eine Behandlungsmethode zu finden, die dem Kind in seiner Einzigartigkeit gerecht wird. Ob ein Kind dazu neigt, chronische Mittelohrentzündungen zu entwickeln und deshalb dagegen konsequent mit Antibiotika behandelt werden muss, oder ob es sinnvoller ist, eine derartige Erkrankung durch Stärkung der Eigenabwehrkräfte zu behandeln, sollte immer eine Einzelfallentscheidung sein, die ihnen ausreichend erklärt wird. Das gilt auch für Impfungen. Ein guter Kinderarzt nimmt sich die Zeit für die Bedenken der Eltern. Eine gute Kinderärztin erklärt sie nicht für unverantwortlich, weil sie ihr Kind mit einem Jahr in eine Kindertageseinrichtung schicken.

Selbstverständlich haben Ärzte und Ärztinnen wenig Zeit und sind vielbeschäftigt. Wenn Sie schon einmal an einem Montagmorgen in einer Praxis darauf warten mussten, dass Sie zum 10  Uhr Termin ihres Kindes um 11.10 Uhr aufgerufen werden, wissen Sie was ich meine. Ärzte sind keine Wundertäter. Ärztinnen sind auch nur Menschen. Dennoch sollten Sie viel von diesen Menschen verlangen. Sie werden ein zentraler Bestandteil Ihres Lebens und des Lebens Ihres Kindes sein. Es wird Zeiten geben, da werden Sie sich voller Unsicherheit und Verzweiflung an diesen Menschen richten müssen. Das ist eine Frage des Vertrauens. Und deshalb ist es nicht nur Ihr Recht sondern auch Ihre Pflicht, den Arzt zu wechseln, wenn Sie über die Behandlung unzufrieden sind und bei Ihnen Fragen offen bleiben, die Ihnen nicht beantwortet werden.

Ich habe meine eigene persönliche Arztodyssee hinter mir. Einer war sehr kompetent, aber partout nicht in der Lage, sich den Namen meiner Tochter zu merken. Eine andere hat bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu Antibiotika gegriffen, ohne mit mir darüber ins Gespräch zu kommen. Wenn ich wissen wollte, wie mein Kind ein eigenes Immunsystem aufbauen soll, wo doch die entsprechenden Medikamente seinem Körper bei jeder Gelegenheit diese Arbeit abnehmen, wurde ich ignoriert oder abgeschmettert. Ein weiterer war auch als Homöopath ausgebildet und hat dem Immunsystem meiner Tochter mehr zugetraut. Dafür hat er mir als Vater auch mehr zugemutet und war so hochgradig unverschämt und unfreundlich, dass ich es dort einfach nicht ausgehalten habe. Und wieder eine andere war allein von meiner Frage nach dem Unterschied zwischen einer Auffrischungs- und einer Auffangimpfung so beleidigt, dass sich jeder weitere Kontakt erübrigt hat. Meine letzte Kinderärztin war ein Schatz: Sie hat sich viel Zeit genommen, Händchen gehalten, getröstet – und zu den Kindern war sie auch nett.
Leider sind wir zwischenzeitlich umgezogen und mussten den ganzen Auswahlmarathon noch einmal unternehmen. Diesmal in ländlicher Gegend mit weniger Optionen. Wahrscheinlich werde da sogar ich Abstriche machen müssen.

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Über den Autor: Nils Pickert ist gebürtiger (Ost-)Berliner, lebt und arbeitet als freier Autor und Texter in Süddeutschland. Er ist passionierter Koch und Vater zweier Kinder.

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