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Heimliche Kinderarbeit ist Alltagsphänomen
Kinderarbeit ist in Entwicklungsländern häufig. Kinder sind nicht nur billige Arbeitskräfte in Zulieferbetrieben internationaler Konzerne, sondern arbeiten auch im Haushalt, im familiären Betrieb oder Bauernhof. Wie viele Kinder von diesem Schicksal betroffen sind und welche Gründe dahinter stehen, zeigen Forscher der Universität Nijmegen anlässlich des heutigen UNO-Weltkindertages. Ihnen gelang es erstmals, die sogenannte versteckte Kinderarbeit systematisch zu dokumentieren.
Arbeit statt Schule
Kinderarbeit ist Arbeit, die der Gesundheit oder Entwicklung eines Kindes schadet, so die Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Kind aufgrund der Arbeit kaum Zeit für seine Hausaufgaben oder den Schulbesuch findet. Wie verbreitet die heimliche Kinderarbeit ist, erhoben die Forscher um Ellen Webbink repräsentativ für 16 Länder Afrikas und Asiens bei 178.000 Kindern. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift "World Development" veröffentlicht.
Vier von fünf befragten Kindern kennen "Kinderarbeit" aus eigener Erfahrung. 30 Prozent der afrikanischen Kinder und elf Prozent jener in Asien haben in der Woche vor der Befragung mehr als 15 Stunden zu Hause mit Arbeit verbracht. Die Arbeitsformen unterscheiden sich zwischen Mädchen und Buben: Mädchen arbeiten eher im Haushalt, Jungen eher im Familienbetrieb.
Kühlschrank ersetzt Kinder
Die Forscher suchten auch nach Gründen, warum Kinder arbeiten. Armut ist ein entscheidender Faktor, jedoch auch die Erziehung der Eltern spielt eine Rolle. Kinder gut gebildeter Mütter arbeiten weniger. Beim Vater trifft Gegenteiliges zu, was die Forscher darauf zurückführen, dass Väter mit Schulbildung in den untersuchten Ländern eher außerhalb des Hauses arbeiten und in Folge mehr Verantwortung auf den Kindern liegt.
Doch auch die Ausstattung des Haushaltes ist relevant, was und wie viel die Kinder arbeiten müssen. Wo Familien viel Land und Vieh besitzen, fällt mehr Arbeit für Kinder an, während Elektrizität und Leitungswasser Schutzfaktoren sind. "Wasserholen ist eine zeitraubende Arbeit, die oft Kindern überlassen wird. Strom im Haus erlaubt den Betrieb eines Kühlschrankes, der die zum Einkauf nötige Zeit verkürzt. Zudem können mit Strom viele oft von Kindern erledigte, händische Tätigkeiten von Maschinen erledigt werden", erklären die Experten.
Bildung überwindet Kinderarbeit
Auf den Faktor Arbeit und gerechte Bezahlung macht Reinhard Heiserer von der entwicklungspolitischen NGO "Jugend Eine Welt" aufmerksam. "Reicht das Einkommen der Eltern nicht zum Auskommen, so müssen auch Kinder mithelfen - als Arbeitskraft oder Aufpasser auf kleinere Geschwister", so Heiserer gegenüber pressetext. Kinderarbeit in Ländern des Südens sei deshalb mit dem Konsumverhalten im Norden eng verknüpft.
Die holländischen Studienautoren empfehlen die Verbesserung der Bildungssysteme als einen Schlüssel zur Überwindung von Kinderarbeit. Denn Eltern lassen ihre Kinder tendenziell eher zuhause, wenn es keine nahen Schulen gibt oder wenn sie wissen, dass die Schulen schlecht sind. Heiserer dazu: "Gerade in Entwicklungsländern leiden viele Familien Entbehrungen, um die Kinder auf Privatschulen zu schicken, da sie gute Bildung als Ausweg aus der Armut sehen. Diese Erkenntnis braucht jedoch die persönliche Erfahrung der Eltern."
Einzelne Entwicklungsländer haben bereits Maßnahmen ergriffen, um auch bildungsfernen Schichten den Schulbesuch zu erleichtern. So hat etwa Ecuador sein Stipendiensystem von Leistungs- auf Bedarfsorientierung umgestellt, zu deren Feststellung Sozialarbeiter eingesetzt werden. "Arme Kinder schaffen das Kriterium guter Noten viel schwieriger, da sie etwa abends keinen Strom zum Lernen haben oder ihre Zeit aufgrund der Arbeit knapp ist", so Heiserer.
Die Studie kann man auf ScienceDirect beziehen.
Foto: OLIVES JEAN-MICHEL / Shutterstock.com, Quelle: pte
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