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Katholizismus Wow!
Zu Ostern und anderen Gelegenheiten fühlen sich nichtreligiöse Eltern oft verpflichtet, religiöse Bräuche als Kinderfolklore dem Nachwuchs zu vermitteln. Und der neue Papst ist auch für Nichtkatholiken eine interessante Wahl. Aber wie wirkt es auf Kinder, wenn ihre Eltern anfallartig religiös auftreten?
Erinnern Sie sich noch an den Film Dogma kurz vor der Jahrtausendwende? Ein Großaufgebot an Hollywoodstars kasperte sich damals durch eine Parodie auf die Institutionalisierung und erstarrten Regeln von Religion – ganz besonders der katholischen Religion. Da gab es beispielsweise einen Kardinal Glick, der seine eigene Religion als ausgesprochen deprimierend empfindet, sich die Zuwachsrate der Tabakindustrie bei Jugendlichen wünscht und deshalb die Kampagne Katholizismus Wow! ausruft, in der Jesus nicht mehr so schrecklich leidend am Kreuz hängt, sondern allen kumpelhaft zuzwinkert.
So weit, so blasphemisch oder belustigend – je nachdem von welchem Standpunkt aus man es betrachtet. Aber unabhängig davon, dass es sich auch lohnen würde, diesen Film noch einmal im Jahr 2013 zu sehen, drehen viele Erwachsene, deren Konfession mehr oder weniger aus dem aktuellen Verfallsstadium der Religion ihrer Eltern besteht, zu hohen kirchlichen Feiertagen oder anderen wichtigen Anlässen wie die Wahl eines neuen Papstes ihren eigenen Dogma Film. Besonders gerne tun sie dies für und mit ihren Kindern. Oster- und Weihnachtsgottesdienst sind meistens gut besucht und was der Stern von Bethlehem ist, bekommen auch Agnostiker- oder Atheistenkinder noch zusammen. Der neue Papst wäscht jugendlichen Gefängnisinsassen die Füße, zur Geburt und Auferstehung von Jesus Christus gibt es für die Kleinen Geschenke, und wenn Haustiere oder Verwandte sterben, wird plötzlich eine Art himmlisches Nachleben thematisiert. Dort wird es die Katze dann gut haben und Opa sitzt auf einer Wolke und wacht über dich. Klingt harmlos. Ist es aber nicht.
Für viele Eltern bieten sich diese Gelegenheiten dazu an, den Kindern ein Gefühl für eine Religion zu vermitteln, zu der sie sich aus den verschiedensten Gründen in all ihren Facetten und Bedeutungen nicht mehr aufraffen oder durchringen können. Sie finden Anknüpfungspunkte an religiöse Systeme, die sich selbst menschenverachtende Regeln gegeben haben, indem sie sich lediglich die Rosinen herauspicken. Religion wird so zu einer harmlosen, kinderfreundlichen Sache. Jesus als Actionheld, alle haben sich lieb, niemand muss je richtig sterben (im Sinne von Auslöschung seiner Existenz).
Unsere Kinder drohen so an Realitätsverlust zu leiden, weil wir selbst nicht bereit sind, uns der Wirklichkeit zu stellen. Wir wissen schon, warum wir vom tradierten Glauben abfallen, aber wir wollen nicht daran denken. In der Religion wie viele Menschen sie gerne praktizieren würden wäre Scheitern in einer Ehe nur allzu menschlich und Neuverheiratung eine tolle Nachricht. Und aus schwulen Abscheulichkeiten, die es zu töten gilt (3. Mose 20,13), würden einfach Mitmenschen. Mitmenschen, die sich mit anderen Mitmenschen gleichen Geschlechts in einer Art und Weise gegenseitig guttun, die uns überhaupt nichts angeht, es sei denn, sie möchten uns gern davon erzählen.
In der Realität führen wir mit unseren Kindern religiöse Verkaufsgespräche und preisen mit moralisch einwandfreien Folkloreelementen etwas an, das wir in seiner Gänze als ethische Grundlage unserer Kinder nicht durchgehen lassen würden. Aber religiöses Erzählen funktioniert nicht wie märchenhaftes.
Denn es mag kein Problem sein, Sätze aus dem Grimmschen Märchen Der Froschkönig wie „Sie warf den Frosch gegen die Wand, da fiel ein schöner junger Prinz ins Bett, und sie schliefen vergnügt miteinander ein.“ umzuformulieren oder zu streichen. Dass sich Rapunzel in der Originalversion von ihrem Prinzen noch im Turm hat schwängern lassen, kann ebenso unter den Teppich gekehrt werden wie zu drastische Gewaltexzesse in der Schneekönigin: „Die ist nichts Besseres wert, als dass sie splitternackt ausgezogen und in ein Fass gesteckt wird, das inwendig mit spitzen Nägeln beschlagen ist, und zwei weißen Pferde müssen vorgespannt werden, die sie Gasse auf Gasse ab zu Tode schleifen.“
Mit Religion funktioniert das aufgrund des alleinigen und unwiederbringlichen Wahrheitsanspruchs nicht. Sie lässt sich nicht guten Gewissens in einer heimeligen Auswahl darstellen, weil das Unausgesprochene auch immer sein absolutes Recht einfordert. Und deshalb sollten wir unsere Kinder nicht am Köder knabbern lassen, wenn wir nicht wollen, dass sie den Haken schlucken. Und was ist das für eine Barmherzigkeit, von der der neue Papst spricht, wenn sie nicht Menschen miteinschließt, deren Schuld einzig darin besteht, anderen Menschen gleichen Geschlechts mit Achtung, Liebe und sexuellem Begehren zu begegnen.
Wenn Sie das Wow! finden, ist das Ihr gutes Recht. Wenn nicht, seien Sie vorsichtig, mit dem, was Sie erzählen. Denn wie gesagt: Die Sache hat immer einen Haken.
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Über den Autor: Nils Pickert ist gebürtiger (Ost-)Berliner, lebt und arbeitet als freier Autor und Texter in Süddeutschland. Er ist passionierter Koch und Vater zweier Kinder.
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