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Ach, geschenkt!

Weihnachten ist ja bekanntlich das Fest der Liebe wo man näher zusammenrückt. Das gilt auch für Konsumfreunde und Konsumkritiker – auch wenn ihnen das gar nicht immer so Recht ist.  
Kolumne | Nils Pickert.

Weihnachten Geschenke für Kinder

Weihnachten steht vor der Tür. Wenn Sie mir nicht glauben, brauchen Sie lediglich durch Ihren örtlichen Supermarkt zu schlendern oder kurz darüber nachzudenken, für welches Geschäft sich die Verlage auf der Frankfurter Buchmesse vorbereiten. Kleiner Tipp: Nach wie vor verschenken die Deutschen zu Weihnachten gerne Bücher. Falls Sie jetzt denken, dieser Text artet sicher in eine Konsumkritik aus, liegen Sie richtig. Falls Sie aber glauben, hier werden Ihnen die üblichen nachvollziehbaren Aversionen gegen die Auslage von „weihnachtlichen“ Produktwelten zum Ende der Sommerferien geliefert, liegen Sie falsch. So sehr es mich nervt, das der Einzelhandel (haben Sie dieses Wort eigentlich schon mal in einem anderen Zusammenhang als mit Weihnachten gehört?) seine alljährliche Erwartung an die Festtagsumsätze als Imperativ an die Kunden formuliert, so wenig sehe ich mich gezwungen, an dem ganzen vorweihnachtlichen Wahnsinn teilnehmen zu müssen. Wir haben nicht mehr 1996 und ich bin auch nicht Arnold Schwarzenegger, der seinem Film-Sohn auf den letzten Drücker die Action Figur Turbo-Man schenken will.
Ich muss noch nicht einmal etwas bei Amazon bestellen (ja, manchen Leuten muss das wirklich gesagt werden) und dann ganz angestrengt NICHT darüber nachdenken, wie die es wohl schaffen, Bücherlieferungen und Warenbestellungen ab einem Wert über 20 € für mich kostenfrei zu halten.

Stattdessen gehe ich ganzjährig auf Flohmärkte. Die gibt es nicht nur in Ballungszentren sondern auch in eher abgelegenen Regionen und sind rundum eine gute Sache. Drinnen wie draußen sind die Kinder zumeist viel entspannter als in parfümierten, überheizten Einkaufszentren und dürfen selbst mitgebrachtes Essen und Trinken verzehren. Wer auch nur einmal in seinem Leben mit einem Kind das Haus verlassen hat – und zwar unabhängig davon, ob es gerade 3 Teller von seinem Lieblingsgericht verputzt und einen halben Liter Schorle hinuntergestürzt hat – der weiß, dass auf bisher noch ungeklärte Weise noch im Treppenhaus Hunger und Durst einsetzen. Ermahnungen, die mit „Aber du hast dich gerade…“ oder ähnlichen Einleitungen beginnen wirken dabei stark appetitfördernd und rachenraumaustrocknend. 
Flohmärkte schonen daher gleich doppelt den Geldbeutel: Man gibt in sinnvoller Weise Geld für Produkte aus, die man braucht/und/oder haben will und erspart sich zugleich Unsummen für unschöne gastronomische Erlebnisse, bei denen man hinterher immer denkt, dass die das nur mit einem glauben machen zu können, weil man Kinder hat, und ihnen im Stillen auch noch Recht geben muss. Das Stöbern auf Flohmärkten macht darüber hinaus Spaß, verhandeln lohnt sich und man trifft nette Leute. Es gibt oft einen Spielplatz in der Nähe und die Kinder erfahren einen realistischeren Bezug zu Geld und dem Gebrauch von Dingen, was vielleicht einmal dazu führen wird, dass sie kurz innehalten, bevor sie 500 € für ein Fahrrad ausgeben (500 € kann man locker für ein Fahrrad ausgeben).
Das fiese dabei ist nur, dass Sie, selbst wenn Sie wie ich glauben, in der konsumkritischen Erziehung ihrer Kinder, einiges richtig zu machen, an Weihnachten quasi vor den selben Problemen stehen wie die Eltern, von denen ihre Kinder zu dieser Gelegenheit eine Spielkonsole, bunte Stifte, einen iTunes Gutschein und ein dressiertes Eichhörnchen haben wollen.
Ob Sie bei sich zu Hause nun einen Dudley Dursley zu sitzen haben, der jedes Mal ein Geschenk mehr erwartet, als er bei vorheriger Gelegenheit erhalten hat, oder ein Flohmarktkind, für das quasi andauernd die Möglichkeit geschaffen wird, an Benötigtes oder Gewünschtes heranzukommen, macht definitiv einen Unterschied. Trotzdem wären Sie überrascht, wie sehr sich die beiden an Weihnachten gleichen. In beiden Fällen stehen Sie vor dem Problem, ein Kind mit etwas Besonderem beschenken zu wollen, dem es vorher praktisch unmöglich gemacht wurde, es als außergewöhnlich wertschätzen zu können. In beiden Fällen gibt es eine Erwartungshaltung an eine Vielzahl von Dingen, die zwangsläufig enttäuscht werden muss, weil die Unüberschaubarkeit der Anzahl in Beliebigkeit mündet. Deshalb können Sie auch ab Oktober Flohmarkteltern dabei beobachten wie sich eine/r aus der Gruppe davonstiehlt, um mögliche Geschenke unauffällig zu erwerben und in Taschen verschwinden zu lassen.

Die Lösung für dieses Problem ist allerdings ziemlich einfach. Und natürlich würde ich sie Ihnen auch verraten, wenn ich nicht schnell auf einen Flohmarkt müsste. Sie wissen schon: Irgendwoher muss ich ja schließlich die ganzen Turbo-Männer bekommen – selbst wenn sie „nur“ gebraucht sind.

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Über den Autor: Nils Pickert ist gebürtiger (Ost-)Berliner, lebt und arbeitet als freier Autor und Texter in Süddeutschland. Er ist passionierter Koch und Vater zweier Kinder.

 

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