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Achterbahnfahrt allein

Meine Tochter ist eine Prinzessin. Ich fürchte, sie wird darauf warten, dass eines Tages ein Prinz kommt und sie rettet. Die wird sich noch umschaun.

Prinzessin Mädchen

Ich gönne dem kleinen Mädchen jedes einzelne rosafarbene Teil in ihrem Zimmer. Jedes ihrer Prinzessinnenkostümchen ist wundervoll. Ich bin völlig bei ihr, wenn sie uns beiden eine kleine Krone aufsetzt und sagt: “Ich wäre halt die schönste Prinzessin von der Welt und du wärst halt nicht ganz so schön. Und alle würden halt mich total schön und super finden und dich nur so mittel.” So muss es nunmal sein. Die Zeit meiner Regentschaft in diesem rosa Traumschloss ist vorbei. Nur langsam regt sich in mir der dringende Verdacht, dass sie eines Tages - wie viele andere kleine Prinzessinnen - aufwachen wird und ihre Steuererklärung abgeben muss.

Im Zimmer meines Mädchens leben etwa 15 alte und neue Barbies in einer recht unordentlichen WG zusammen. Zwischen ihnen: Ein Ken aus den 80ern und ein Todd, sein jugendlicher Gehilfe in dieser frauendominierten Welt. Zum letzten Weihnachtsfest gab es ausnahmsweise mal keine neue Barbie, auch kein pinkes Pferd, sondern einen weiteren Mann für den lottrigen Haushalt. Der wurde allerdings nicht nur sehr enttäuscht beheult, sondern verschwand innerhalb kürzester Zeit in den Untiefen der Spielkisten. Ab und an darf zumindest 80s Ken am Prinzessinnenspiel teilhaben - nämlich immer dann, wenn ein Prinz benötigt wird und geheiratet werden soll.

Als meine Tochter vergangene Woche krank zuhause bleiben musste, beschloss sie, dass mal wieder eine der Prinzessinnen - Arielle - geheiratet werden sollte. Wir veranstalteten einen großen Tag drumherum. Der Trautermin wurde auf 16 Uhr festgelegt, die Vorbereitungen sollten bis dahin abgeschlossen sein. Was gibt es da vorzubereiten? Tja, das fängt beim Designen und Nähen eines Brautkleides an, geht über Haarewaschen aller Beteiligten und driftet schließlich in Richtung Trausaaldekoration. Auch ein ausgewähltes Menü aus Weintrauben und Smarties wurde kreiert. Alles war sehr hektisch. Kleider wurden anprobiert, Frisuren getestet, Stühle gerückt, Blumen arrangiert. Gegen 15:30 Uhr stellten wir entsetzt fest, dass Ken sich aus dem Staub gemacht hatte. Tatsächlich wurde er wohl beim letzten Papabesuch in dessen Wohnung liegengelassen. Demnach befand er sich in seiner Zweitwohnung und hatte keine Zeit. Drama! Meine Tochter brach in Tränen aus. Kein Prinz, keine Hochzeit. Den Termin verschieben, das Fest ausfallen lassen war keine Option. Arielles Freundinnen scharten sich um die völlig aufgelöste Braut und führten ausführliche Krisengespräche. Alles war vorbereitet und perfekt. Nur der Prinz - der ward verschwunden.

Insgeheim dachte ich: Vielleicht keine allzu schlechte Erfahrung für das Kind. Es spiegelt ziemlich genau wieder, was meine Freundinnen und ich tagtäglich in unserem Singleleben erfahren. So ist es nunmal, wenn man sich als Frau seine eigene kleine Welt aufbaut und dabei den Prinzen komplett ignoriert. Bis zum Schluss. Erst kürzlich wieder hatte ich das Gefühl der Achterbahnfahrt, während mein Prinz ungerührt daneben stand, ein Eis schleckte und sich fragte, was zur Hölle wohl eigentlich in meinem Kopf so vorging. Unsere letzte Verabredung lag einige Tage zurück, wir kommunizieren nicht unbedingt täglich. Auch nicht unbedingt alle zwei Tage... teilweise nicht mal jeden dritten Tag. Soll heißen: ICH kommuniziere sehr wohl fast täglich. ER nicht. Er arbeitet sehr viel und ist generell nicht so der große Schreiber. Nach fünf Tagen ohne Antwort, war ich sauer. Nach sechs Tagen wollte ich ihn auf den Mond schießen. Nach sieben Tagen fürchtete ich, es sei etwas Schreckliches passiert. Ein Todesfall in der Familie! Nach acht Tagen zerging ich vor Mitgefühl mit dem armen, leidenden Mann, der seine Trauer sicher kaum zu bewältigen wusste. Nach neun Tagen hielt ich Ausschau nach geschmackvollen Beileidskarten. Nach zehn Tagen war ich bereit ihn auf die Trauerfeier zu begleiten und legte ein schwarzes Kleid aus dem Schrank bereit. Nach elf Tagen meldete er sich, wir trafen uns und ich nahm ihn tröstend in den Arm. Auf mein schluchzendes “Geht´s dir gut?” antwortete er gefasst: “Klar! Ich hatte ne total coole Woche!”. Tatsächlich war er wohl beim letzten Papabesuch in dessen Wohnung liegengelassen worden. Sprich: Demnach befand er sich in seiner Zweitwelt und hatte keine Zeit. Vom Drama in meinem Kopf bekam er nichts mit. Ich hängte das kleine Schwarze zurück in den Schrank.

Die Barbie-WG unterdes kam zu dem Entschluss, dass aus dem übriggebliebenen Stoff für das Brautkleid durchaus auch noch ein zweites genäht werden konnte. Rapunzel, Arielles beste Freundin, wollte sowieso ebenfalls schon lange geheiratet werden. Und so kam es, dass um Punkt 16 Uhr zwei Bräute auf den Stühlen vor Todd - dem soeben sein Theologiestudium abgeschlossen habenden Pfarrer - Platz nahmen. Unter tosendem Applaus der anderen 13 Barbies mit frisch gewaschenem Haar und in den schönsten Kleidern aus dem Puppenschrank. Manchmal braucht es eben doch keinen Prinzen für eine fetzige Party. Jeder sollte so sein Ding machen. Und sei es mit der besten Freundin.

Im Übrigen durfte die Tochter am nächsten Tag wieder das Haus verlassen und fand beim Kramen in der Mützen- und Käppikiste an der Garderobe, einen eisschleckenden Ken, der von all dem Drama nichts mitbekommen hatte.

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Freshmom ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 6 und 4 Jahren. Sie ist 31 Jahre alt, (fast) geschieden und lebt in München. Ihre Mutter bezeichnete sie als "Brauseköpfchen", Sie selbst würde sich als eine Mischung aus einer abgedrehten 17 Jährigen und einer 40 jährigen Hobbypsychologin beschreiben. In Ihrer Kolumne erzählt Sie aus Ihrem Alltag und Ihrem bewegten Leben. Sie wird für uns nicht nur die Wohnungstür, sondern auch hin- und wieder die Schlafzimmertür einen Spalt aufmachen.

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