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Erste Hilfe am Kind - Rescuedad, Slawomir Ernst im Interview
Erste Hilfe am Kind ist ein Thema das alle Eltern betrifft. Um mehr über dieses wichtige Wissensgebiet zu erfahren, haben wir den Berliner Rettungsdienstler Slawomir Ernst zum Interview gebeten. Er lebt und arbeitet in Berlin, ist 27 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Söhnen. Zurzeit ist er als Schulleiter einer Berliner Rettungsdienst-Akademie und Ausbilder in der Breitenausbildung (Bereich Erste Hilfe, Erste Hilfe am Kind und Lebensrettende Sofortmaßnahmen) tätig. Ab und zu trifft man ihn dann auch noch auf einem Rettungs- oder Krankenwagen. Bei dem was dann noch an Freizeit übrig bleibt, widmet er sich, neben der Zeit, die rein seiner Familie vorbehalten ist, seinem Buch über Erste Hilfe am Kind, das hoffentlich bald fertig geschrieben und in druckfertigem Zustand ist.
FD: Die Wissensvermittlung hinsichtlich Erster Hilfe ist Ihnen ein persönliches Anliegen. Warum eigentlich?
Slawomir Ernst: Jeder Mensch sollte in der Lage sein seinen
Mitmenschen helfen zu können, denn eine Notfallsituation kann jederzeit und überall eintreten. Wahrscheinlich ist es bei mir auch noch ein Teil Berufskrankheit, der mich dazu bewegt immer die beste Behandlung und somit die besten Heilungschancen für meine Patienten zu wollen. Ich weiß, dass beides nur dann gegeben ist, wenn bis zum Eintreffen professioneller Hilfe, bereits etwas getan wird: Erste Hilfe. Und da viele Ängste, Bedenken und Fragen auftauchen können und Erste Hilfe-Maßnahmen nichts sind was wir in die Wiege gelegt bekommen, versuche ich, nach besten Möglichkeiten, so vielen Interessierten wie möglich, beim Helfen zu helfen.
FD: Wie ist es Ihres Erachtens um das Wissen der Eltern hinsichtlich „Erste Hilfe am Kind“ bestellt?
Slawomir Ernst: Erfreulicher Weise werden der Wissensstand als auch das Interesse der Eltern, durch gute Aufklärung (seitens der Krankenhäuser, Kinderärzte, Hebammen. Medien und vielleicht sogar durch Personen wie mich), durch die die Eltern, was das Thema Notfallsituationen angeht, sensibilisiert werden, immer besser. Es lässt sich ein zunehmend positiver Trend erkennen. Dennoch gibt es leider immer noch viele Eltern, die sich nicht oder nicht ausreichend mit dem Thema auseinandersetzen, weil sie denken dieses würde sie nicht tangieren oder sie seien bereits ausreichend gut informiert und Muttis oder Omis Hausmittelchen würden im Fall der Fälle schon helfen. Als Ergebnis hat man dann tlw. brandverletzte Kinder denen Mehl oder Zahnpasta auf die Verbrennung getan wurde.
Aber egal zu welcher Gruppe man sich nun selber zählen mag: empfohlene Erste-Hilfe-Maßnahmen ändern sich und vieles vergisst man, im Laufe der Zeit, auch. Es empfiehlt sich also, auch als gut informierter Elternteil, Erste-Hilfe-Kurse regelmäßig in Anspruch zu nehmen.
FD: Welche Verletzungen bzw. Notfälle sind bei Babys, Kleinkindern und Kindern am häufigsten?
Slawomir Ernst: Am häufigsten sind Atemwegsbeschwerden, durch unterschiedliche Ursachen: Asthma, Insektenstiche, Pseudokrupp und verschluckte Fremdkörper. Bei Neugeborenen und Säuglingen sind Bauchschmerzen, Fieber, Durchfälle und/oder massives Erbrechen häufige Notfallbilder. Mit zunehmendem Alter, wenn die Erkundungsphase beginnt, kommen häufig Vergiftungen und das Verschlucken von Fremdkörper dazu. Mit dem weiteren Wachstum, gibt es dann Wunden und Brüche, mit denen wir konfrontiert werden können. Die Kinder probieren sich schließlich aus und nicht immer läuft alles so, wie man es sich, vor dem Toben, gedacht hat.
Die richtigen Extremfälle hingegen, wie Autounfälle, Brandverletzungen und Atemstillstände sind zwar selten, sollten aber dennoch nicht außer Acht gelassen werden - und ein Notfall bleibt ein Notfall, egal ob Bauchschmerz oder Autounfall. Es ist also Einiges was auf Eltern zukommen kann.
FD: Kinder sind ja keine kleinen Erwachsenen, das gilt wahrscheinlich auch bei der Erste Hilfe Leistung. Was sind bei der ersten Hilfe die größten Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen?
Slawomir Ernst: Das ist wohl wahr, aber auch wenn Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, so sind Sie dennoch kleine Menschen. Vieles erfolgt also in Anlehnung an die Erwachsenenversorgung und wird dann, an die anatomischen und physiologischen Besonderheiten im Kindesalter, angepasst.
Zwei Sachen die mir da sofort einfallen: Beatmung und stabile Seitenlage. Bei einem Neugeborenen oder Kleinkind, darf ich den Kopf nicht, wie beim Erwachsenen, voll überstrecken, da ich ansonsten die Atemwege, durch den Kehldeckel, verschließe und Luft weder rein noch raus kann. Die stabile Seitenlage, besonders bei Säuglingen und Neugeborenen, muss durch die kurzen Arme und Beine, in abgewandelter Form erfolgen, da ich ansonsten keinerlei Stabilität bekomme.
Das Wichtigste: Bei Medikamenten können Präparate, die für uns unschädlich sind, bei Kindern bereits, bei einmaliger Dosierung, zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Deswegen bitte auch nicht mit einem 1/8 der Erwachsenendosis experimentieren, sondern immer den Kinderarzt fragen!
FD: Sollten eigentlich alle Eltern einen Erste Hilfe Kurs besuchen? Bieten Sie auch spezielle Erste Hilfe Kurse für Eltern an?
Slawomir Ernst: Als verantwortungsbewusster Elternteil kommt man nicht drum herum sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und es ist auch nicht immer ein Arzt vor Ort, der helfen kann. Dann sollte ich in der Lage sein etwas für mein Kind zu tun. Deshalb denke ich, dass wirklich alle Eltern sich für ein paar Stunden in einen solchen Kurs setzen sollten. Diese paar Stunden können im Notfall ein ganzes Leben, das Leben des eigenen Kindes, wert sein. Das kann man also in kein Verhältnis zueinander setzen.
Solche Erste-Hilfe-Kurse für Eltern biete ich bzw. bieten wir, derzeit in unserem Ausbildungszentrum, der Spree-Ambulance GbR, in Berlin, neben der Rettungsdienstausbildung, in zweiwöchigem Rhythmus, sonntags, an. Weg von der trockenen Theorie und dem Frontalunterricht, hin zum praxisbezogenen Lehrgespräch, mit Einfluss eigener Erfahrungen (und bei vier Söhnen hat man eine Menge Geschichten zu erzählen), lautet hier unsere Devise. Bisher können wir uns über die Akzeptanz und das Interesse, was uns sehr freut, nicht beklagen. Jeder der noch etwas lernen möchte, ist bei uns gern gesehen und darf sich bei Interesse gerne melden.
FD: Ist es auch sinnvoll, bereits Kindern Erste Hilfe beizubringen? Können das geschulte Eltern selber machen? Ab welchem Alter ist ein Erste-Hilfe Kurs für Kinder sinnvoll?
Slawomir Ernst: Auf alle Fälle! Schließlich kann es auch unseren Kindern passieren, dass Sie mit einer Notsituation konfrontiert werden. Vielleicht sind sogar wir die Betroffenen und dann sollten auch sie wissen wie man uns helfen kann. Beim Beibringen von Erste-Hilfe-Maßnahmen würde ich altersgerecht vorgehen: Ein Kind das sich gut artikulieren kann und regelmäßig mit Oma, Opa, Mama und Papa telefoniert, wird einen Notruf absetzen können. Ein größeres Kind wird dann auch die stabile Seitenlage umsetzen können – vorausgesetzt, dass man ihm gezeigt hat wie es geht. Ab wann man das dem eigenen Kind zutraut ist reine Ermessenssache. Den spielerischen Versuch kann man ja einfach Mal starten und eventuell wird man überrascht sein, wie viel das eigene Kind dann doch schon kann und wie sehr man es unterschätzt hat.
Spätestens Kinder in schulfähigem Alter können Erste Hilfe definitiv erlernen. Das Beibringen kann dann durch Eltern, fähige Lehrer, durch Schulungsunternehmen (wir besuchen z.B. auch in regelmäßigen Abständen Schulklassen und versuchen schon den Grundschüler zur Ersten Hilfe zu bewegen) oder durch entsprechende kindgerechte Lektüre (ein Kinderbuch über Erste Hilfe bspw. – eines meiner nächsten Projekte), erfolgen.
FD: Wir möchten von Ihnen aber auch gerne etwas über Sie als Vater erfahren. Wie alt waren Sie als Sie zum ersten Mal Vater wurden? Waren Ihre Kinder geplant?
Slawomir Ernst: Als mein erster Sohn zur Welt kam war ich gerade 19 Jahre alt. Das ist zwar jung, aber bei Weitem nicht unerfahren und unreif - was jedoch viele mit dem Alter fälschlicherweise in Verbindung bringen. Wir haben uns damals bewusst dafür entschieden jung Eltern zu werden und diese Entscheidung bereue ich bis heute nicht. „Geplant“ hört sich irgendwie negativ an – planen kann man einen Einkauf. Eine Schwangerschaft und ein Kind hingegen, kann man sich wünschen und damit verbunden entscheiden, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist. Das ist dann aber auch schon alles was in den Bereich der Planung fällt. Bei unseren ersten drei Kindern, haben wir den Zeitpunkt jedenfalls für den richtigen gehalten und dann erwartungsvoll darauf „hingearbeitet“. Mein letzter Sohn, war dann zwar ein „Überraschungsei“, mit dem keiner gerechnet hätte und auf den wir nicht hingearbeitet haben, trotzdem sind alle meine vier Söhne: Wunschkinder. In dem Moment, in dem man sich entscheidet das Kind zu bekommen (für meine Frau und mich war das vom ersten Moment an klar), ist es in meinen Augen ein Wunschkind – „geplant“ oder nicht.
FD: Waren Sie bei der Geburt Ihrer Kinder dabei? Wie war das für Sie?
Slawomir Ernst: Man war an der Zeugung beteiligt, will sich an der Erziehung beteiligen, also hat man sich auch bei der Geburt die Hand quetschen zu lassen und der Frau, die Unvergleichbares leistet, sowie dem Kind, beizustehen. Und hinterher wird man sich, auch Jahre später, an diesen Moment zurückerinnern und froh sein, dass man dabei war. Deshalb war ich bei allen vier Jungs bei der Geburt dabei.
Damit es jedes Mal spannend für mich/uns blieb und sich auch gar keine Routine einschleichen konnte, haben wir auch ungeplant! so ziemlich alle Varianten der Geburt, bis auf die Hausgeburt, durch: vom geplanten Kaiserschnitt, auf Grund von Schwangerschaftskomplikationen, über die normale Geburt (mit Einleitung), bis hin zum ungeplanten Notkaiserschnitt, war alles dabei. Jedes Mal also eine völlig neue Situation, auf die man(n) sich einstellen musste.
Jede Geburt an sich war, auf ihre ganz spezielle Art und Weise, aufregend, wobei mich die eingeleitete Entbindung, also die normale Geburt, wohl am meisten mitgenommen und geprägt hat, da man über Stunden hinweg mit der Situation konfrontiert war.
Eine Geburt an sich, ist eine Situation die richtig überfordern kann, vor allem weil man sich als Mann völlig fehl am Platz vorkommt und das kleinste Licht ist, die aber zeitgleich eine Familie immens zusammenschweißt. Ich kann es deshalb jedem nur empfehlen, an diesem Wunder, ob im OP oder Kreißsaal, teilzuhaben.
Am Ende sei noch zu sagen: Auch wenn man denken mag und es auch häufig hört, dass die normale Geburt einen größeren Bezug zum eigenen Kind schafft (auch ich hatte deswegen anfangs Bedenken), unabhängig vom Geburtsweg: Ich liebe jedes meiner Kinder auf die gleiche Art und Weise! Denn egal ob im OP, im Kreißsaal oder im Wald: es ist es eigene Kind was da geboren wird und mehr Emotion und Liebe kann man in einem Moment nicht empfinden.
FD: Waren Sie bei Ihren Kindern in Elternzeit? Wie waren Ihre Erfahrungen?
Slawomir Ernst: Ich war in Elternzeit, zwar nicht bei allen meinen Söhnen, da es von Berufswegen her nicht immer klappen wollte, aber dennoch ist das eine Erfahrung die ich mir nicht nehmen lassen wollte und auch bei meinem 4. Sohn werde ich die Elternzeit in Anspruch nehmen. Ich bin ganz ehrlich: Ich habe es unterschätzt. Oft habe ich zu meiner Frau gesagt, wie hart mein Arbeitstag sei und dachte Sie hätte zu wenig Verständnis für mich. Nach zwei Wochen Elternzeit, in der Sie dann eine Fortbildung begonnen hatte, wusste ich, dass ich ihr Unrecht getan hatte. Kinder sind anstrengend, Kindererziehung erst recht und an manchen Tagen sehnte ich mich nach meinem Arbeitsplatz, wie man sich montags bereits nach Freitag und dem Wochenende sehnt. Aber es hat mich zu einem verständnisvolleren Menschen, Ehemann und Vater gemacht. Eine Sache die ich also auch weiterempfehlen kann und die ich selber definitiv nochmal machen werde, weil ich weiß wie wertvoll diese Zeit, mit den Kindern ist.
FD: Sie sind Vater von vier Söhnen. Hätten Sie auch gerne eine Tochter?
Slawomir Ernst: Ich müsste lügen, wenn ich sagen würden, dass es mich nie interessiert hätte wie es wäre eine Tochter zu haben. Würde ich einen Rosa-Tick entwickeln? Würde ich vielleicht der Fachmann in Sachen Barbie-Traumhaus werden? Würde ich mir direkt zur Geburt die Schrotflinte, für potenzielle Schwiegersohn-Anwärter in der Zukunft, zulegen? Alles Fragen die ich nicht beantworten kann und so soll es dann wohl sein, denn schließlich ist mein Anteil des Chromosomensatzes für das Geschlecht verantwortlich. Ich bin deswegen aber nicht enttäuscht. Vielmehr habe ich vier Söhne, vier gesunde, wunderbare Söhne und was kann ein Mensch mehr wollen als gesunde Kinder zu haben, die sich prima entwickeln? Das Geschlecht ist dann doch reine Nebensache. Außerdem hat jeder von den Vieren eine völlig eigene Persönlichkeit, eine eigene Weltansicht und somit ein völlig individuelles Auftreten. Damit ist für uns als Eltern für genug Abwechslung gesorgt.
FD: Wie sehen Sie sich in der Vaterrolle? Hat Sie Ihr eigener Vater in Ihrem Vatersein beeinflusst?
Slawomir Ernst: Mein eigener Vater, bzw. Erzeuger, hat mir eine wichtige Sache aufgezeigt: Wie ein Vater nicht sein sollte. Er war der Ansicht mit Drill, Geschrei und Gewalt zu erziehen und ich kann mich an keinen einzigen Moment der Zuneigung erinnern. Eigentlich ziemlich traurig, aber ein abgeschlossenes Kapitel meiner Vita.
Dass sich auch Väter für ihre Kinder interessieren können, ihnen bei Problemen helfen und sie nicht für ihre eigenen Probleme verantwortlich machen, kannte ich damals von zu Hause nicht. Nach der Scheidung meiner Eltern, bewies mir der neue Mann, an der Seite meiner Mutter, das Gegenteil. Indem er mich trotz seiner eigenen Kinder, immer behandelt hat wie einen Sohn, verbunden mit sämtlichen Sorgen, Ratschlägen und allem weiteren Drum und Dran. Die hauptsächliche väterliche Vorbildfunktion hat, für mich, aber mein Großvater, mütterlicher Seite, übernommen – sich selbst immer, für das Wohl seiner Kinder und Enkelkinder, in den Hintergrund stellend.
Und auch wenn ich von diversen Seiten geprägt und beeinflusst wurde, so bin ich dennoch ein völlig individueller Typ Vater geworden, der sich nicht in eine bestimmte Schublade stecken lässt. Vielmehr verstehe ich mein Vatersein als eine Aufgabe, die ein Facettenreichtum erfordert und manchmal dem Tanz auf einem Hochseil, zwischen Grenzen und Freiheiten, gleicht.
FD: Vatersein und Mannsein – wie bringen Sie beides unter einen Hut? Wie haben Ihre Kinder Sie verändert? Und wie hat sich Ihre Beziehung durch die Kinder verändert?
Slawomir Ernst: Das eine schließt das Andere nicht aus, sondern geht Hand in Hand. Für mich gehört das Vatersein zum Mannsein dazu. Es ist ein Bestandteil meines Lebens, den ich für Nichts wieder hergeben würde. Ich bin durch meine Kinder reifer, verantwortungsbewusster, ausgeglichener und alles in allem ein besserer Mensch geworden. Die Vier geben meinem Leben einen Sinn und ich weiß für wen ich mich jeden Morgen aufs Neue aus dem Bett quäle – und für meine Rasselband mache ich das gerne.
Beziehungen werden durch Kinder und die damit verbundenen Erfahrungen und Erlebnisse intensiviert. Ich denke, dass auch wenn man sich nun, ab und zu, über andere Themen in die Wolle bekommt, die Beziehung zu meiner Frau inniger und intensiver geworden ist und wir beide gelernt haben die gemeinsamen, einsamen Momente (wenn die Kinder bspw. bei Oma sind) und den Partner deutlich mehr zu schätzen.
FD: Beteiligen Sie sich aktiv an der Kindererziehung? Wie sieht die Verteilung bei Ihnen aus? Was ist ihre Motivation sich aktiv an der Kindererziehung und Kinderbetreuung zu beteiligen?
Slawomir Ernst: Ich wollte Kinder haben, habe sie gezeugt und war bei der Geburt dabei – damit sehe ich meine Aufgabe als Vater jedoch nicht als beendet. Um Vater zu sein gehört die Kindererziehung einfach mit dazu und ist keine Aufgabe die man vollständig an den anderen Elternteil delegieren kann. Ich möchte meine Kinder aktiv erleben, ihnen beim Aufwachsen zusehen, sie mit Rat und Tat unterstützen, ihnen den richtigen Weg, in Form von Freiheiten und Grenzen, weisen und Zeit mit ihnen verbringen. Natürlich ist es nicht einfach, sich ausreichend an der Kindererziehung zu beteiligen, wenn man beruflich ausgelastet ist, früh morgens, bevor die Kinder wach sind, das Haus verlässt und erst abends, wenn die Kinder langsam bettfertig gemacht werden, wieder ankommt, aber ich versuche das bisschen Zeit das bleibt optimal zu nutzen und mein Bestes zu geben. Auch wenn ich dann gerade nicht zu Hause bin, beteilige ich mich aktiv an der Kindererziehung, indem ich Entscheidungen mit meiner Frau bespreche und treffe. Außerdem versuche ich dauerhaft auf dem aktuellen Stand zu sein – das Smartphone erweist sich da als große Hilfe.
FD: Gehen Väter mit Kindern anders um als Mütter?
Slawomir Ernst: Ich würde sagen, dass das immer eine Frage der eigenen Erziehung und Prägung ist. Es gibt unter Männern und Frauen solche und solche. Das klassische Rollenbild, der typischen übervorsichtigen Mutter und des typisch strengen Vaters, ist immer weiter auf dem Rückmarsch und verschwimmt zu einer guten Mischung aus beidem. Ich selbst kann an meiner Familie und in meinem Freundeskreis jedoch feststellen, dass man diese klassischen Rollen, auch wenn man sich dagegen wehrt, nie zur Gänze abwirft, so dass ich schon den ein oder anderen Unterschied zwischen mir und meiner Frau, im Umgang mit den Kindern, erkennen kann. Aber, wie schon gesagt, daraus entsteht eine optimale Mischung, bei der die Kinder nicht nach einem vorgegebenen Schema erzogen oder behandelt werden und somit der persönlichen Individualität ein Stück näher kommen.
FD: Worin sehen Sie die besonderen Aufgaben eines Vaters für eine gelingende Entwicklung der Kinder?
Slawomir Ernst: Ein richtiger Vater sollte sich in allen Bereichen, die das Kind betreffen, engagieren. Vater zu sein bedeutet nicht, einmal pro Woche mit den Kindern zu basteln oder heutzutage, leider ganz häufig der Fall, etwas auf der Konsole zu spielen. Diese Zeiten sind vorbei. Von Windelwechseln, Füttern, über emotionale Erziehung bis hin zum Spielen, sind alle Aufgaben rund ums Kind wichtig, für Vater und Mutter. Da kann man sich nicht aus einem bestimmten Bereich raushalten und sagen „der Part ist Aufgabe von Mutti/Vati“. Nur wenn beide sich im Klaren darüber sind, dass sämtliche Aufgaben von beiden übernommen werden müssen, werden wir es vielleicht irgendwann schaffen in einer Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann zu leben und unsere Kinder wirklich frei von sämtlichen klassischen Rollenbildern und Klischees zu erziehen.
Trotzdem gibt es gerade für Väter eine ganz wichtige Aufgabe, die die kindliche Entwicklung immens fördert: Da sein, wenn man gebraucht wird und dem Kind aktiv zuhören! Alleine damit leistet man schon einen wichtigen Beitrag.
FD: Sehen Sie Hürden und besondere Herausforderungen wenn man ein aktiver Vater sein will?
Slawomir Ernst: Genau wie Mütter auch, müssen aktive Väter den Spagat zwischen Beruf und Familie schaffen. Das war es dann aber auch schon und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Es ist dann nur eine Frage von Zeitmanagement - das kann man von Haus aus oder man kann es lernen. Jeder der sich aktiv an der Kindererziehung beteiligen und Bestandteil des Lebens, seiner Kinder, sein will, schafft das auch.
FD: Laut einer aktuellen Studie ist Deutschland das kinderunfreundlichste Land in Europa. Wie sehen Sie das? Haben Sie Wünsche an Politik und Arbeitgeber zur Verbesserung der Familienfreundlichkeit?
Slawomir Ernst: Dem kann ich nur beipflichten. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Kinderfreundlichkeit, hier in Deutschland, nur noch im Fremdwortlexikon zu finden ist. Kinder werden nicht als Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen, sondern sind, in vielen Augen, bis Sie endlich ihre Funktion als Steuerzahler eingenommen haben, nur eine lästige Zusatzausgabe, die am besten bis zur Vollendung der Volljährigkeit und dem Arbeitsantritt gar nicht erst das Haus verlassen sollte.
Kinder dürfen nicht laut sein (sonst holt man die Polizei wg. Ruhestörung), sie dürfen sich nicht individuell entwickeln (sonst ist die Diagnose ADS/ADHS sofort im Raum) und sie dürfen auch nicht einfach mal keinen Bock haben (sonst sind sie unsererseits falsch erzogen worden oder haben psychologische Defizite).
Und Eltern, der „Grund allen Übels“, erfahren dann auch diverse Nachteile dadurch, dass Sie, mit Kindern, eigentlich unsere Gesellschaft bereichern. Wohnungssuche und Bewerbungsgespräch können dann schlagartige Wendungen erfahren, wenn das Gespräch plötzlich in Richtung des Themas „Kinder“ geht.
Wenn man Kindern gegenüber positiver eingestellt wäre und sich sowohl Politik als auch Arbeitgeber, für bessere Betreuungsmöglichkeiten der Kleinen, in KITA, etc., einsetzen würden, dann könnte Deutschland einen großen Schritt nach vorne tun. Solange wir aber selbst die Position der Familienminister/in streckenweise mit Personen besetzen, die selbst keine Kinder haben oder diese erst während der Amtsperiode bekommen, kann man zumindest von Seiten der Politik nicht erwarten, dass dort jemand sitzt der sich mit den Problemen von Familien wirklich auch auf persönlicher Ebene auseinandersetzt.
FD: Haben Sie Tipps für andere Väter? Was sollte sich kein Vater entgehen lassen?
Slawomir Ernst: Ich kann jedem Vater nur ans Herz legen so viel Zeit wie möglich mit seinen Kindern zu verbringen. Mit jeder Minute, die wir nicht da sind, entgehen uns wichtige und schöne Erlebnisse, mit unseren Kindern. Natürlich sind Arbeit, damit verbunden Geld, Freunde und persönliche Auszeiten wichtig, aber nichts geht über das eigene Kind und die Zeit verrinnt leider viel zu schnell, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen.
FD: Ganz spontan, was war einer der schönsten Momente mit Ihren Kindern?
Slawomir Ernst: Neben der Geburt meiner Söhne, gibt es nicht diesen einen bestimmten Moment, den man als den Schönsten bezeichnen könnte - vielmehr ist es das Gesamtpaket, einer Vielzahl von Momenten, die das Schöne am Vatersein ausmachen. Es ist jeder neue Schritt, jedes neue Wort, jeder neue Zahn, jedes Lachen, jede innige Umarmung, jedes Bild, dass sich Papa ins Büro hängen soll und jedes „Papa, ich hab dich lieb!“. Es ist einfach jede Minute mit meinen Kindern.
FD: Wir haben noch einige Begriffe vorbereitet und es wäre toll, wenn Sie uns ein kurzes Statement zu jedem Begriff geben würden.
Slawomir Ernst:
Kinder sind ein wertvolles Geschenk und die Menschen, die einem, das ganze Leben lang, am nächsten stehen.
Vater sein/Eltern sein ist eine erfüllende und vervollständigende Lebensaufgabe, die manchmal anstrengend und nervenaufreibend, aber immer voller Liebe und Zuneigung, ist.
Vorbilder sind wichtig, aber leider viel zu selten, weswegen Eltern sich ihrer Vorbildfunktion viel bewusster werden sollten. Denn wir beeinflussen durch unser eigenes Sein, das Leben unserer Kinder, nachhaltig.
Gleichberechtigung ist in meinen Augen der Grundpfeiler jeder zivilisierten Gesellschaft. Leider funktioniert Sie oft nur auf dem Papier, weil wir zu wenig dafür tun, sie auch im realen Leben umzusetzen. Wenn wir alle anfangen würden Hand in Hand zu arbeiten, ohne uns gegenseitig Steine, wegen belangloser Nichtigkeiten, in den Weg zu werfen, wäre das Leben um Einiges leichter und Gleichberechtigung wäre existent statt nur ewiges Diskussionsthema.
Wir danken für das interessante Interview und freuen uns zukünftig von Ihnen in Ihrer eigenen Kolumne "Rescuedad: Erste Hilfe am Kind" auf Freshdads zu lesen.
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Slawomir Ernst ist verheiratet und Vater von vier Söhnen. Zurzeit ist er als Schulleiter einer Berliner Rettungsdienst-Akademie und Ausbilder in der Breitenausbildung (Bereich Erste Hilfe, Erste Hilfe am Kind und Lebensrettende Sofortmaßnahmen) tätig. Ab und zu trifft man ihn auch noch auf einem Rettungs- oder Krankenwagen.