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Gehirndoping wird immer alltäglicher - Experten drängen auf Regelungen durch die Politik
Der Gebrauch von Substanzen, die die Gehirnleistung verbessern sollen, nimmt ständig zu. Immer mehr Menschen setzen sich somit teils unbekannten Risiken aus. Den derzeitigen Stand des Gehirndopings in der Gesellschaft zeigt eine Studie des Zentrums für Technologiefolgen-Abschätzung TA-SWISS.
Eine politische Diskussion zum Thema ist ausständig, fordern die Berichtsautoren. "Als Grundlage dafür brauchen wir eine systematische Erfassung, wie verbreitet Human Enhancement ist, von wem und warum es angewendet wird und welche Folgen es hat", betont Projektleiterin Anne Eckhardt im pressetext-Intereview.
Gehirnmittel für Gesunde
Unter dem Begriff "Human Enhancement" fasst man alle Verfahren zusammen, die Leistungen und Aussehen von Gesunden verbessern sollen. Während hier etwa Gendoping noch Zukunftsmusik ist, sieht Eckhardt bereits heute besonders bei den pharmakologischen Substanzen einen Boom. "Die Palette reicht vom leicht wirksamen Alltagsmittel Koffein über in Apotheken frei erhältliche Stressmedikamente bis hin zu verschreibungspflichtigen Mitteln wie Ritalin oder Modafinil oder illegalen Drogen."
Derzeit dopen rund fünf Prozent der Beschäftigten mit Medikamenten, ergab eine Umfrage der Deutschen Angestellten Krankenversicherung DAK unter 3.000 Berufstätigen. Am öftesten kommen in dieser Gruppe Substanzen gegen Angst, Nervosität und Unruhe zum Einsatz (44 Prozent), gefolgt von Pharmaka gegen depressive Verstimmungen (35 Prozent) und Medikamenten gegen Aufmerksamkeits-Störungen wie ADHS (13 Prozent). Die Anwender erhalten verschreibungspflichtige Medikamente teils von Ärzten verschrieben. Manche beziehen sie auch von Bekannten oder über den Internet-Handel.
Mehr Stress durch Mittel gegen Stress
Obwohl die Nachfrage von stark wirksamen wie auch von illegalen Substanzen somit noch kein Massenphänomen darstellt, ist die Entwicklung für Eckhardt besorgniserregend. "Besonders gibt die Tatsache zu denken, dass Enhancement offenbar weniger von erfolgreichen Menschen verwendet wird als von solchen, die Mühe haben, in der Leistungsgesellschaft mitzuhalten."
Nahe liege, dass wirksame Nervenmittel besonders bei Jüngeren in die Entwicklung des Gehirns eingreifen können - eventuell auch auf nachteilige Weise. "Es gibt kaum verlässliche Studien bei gesunden Versuchspersonen zu Nebenwirkungen, vor allem langfristigen Nebenwirkungen. Neben Risiken für die Anwender sind auch Risiken für die Gesellschaft erkennbar." Beispielsweise müsse das Gesundheitssystem letztendlich die Kosten für Nebenwirkungen des Enhancements tragen, zudem steige der Druck im Alltag für das gesamte Umfeld, sobald jemand durch Doping den Wettbewerb verzerrt. Im Radsport sei dies deutlich geworden.
Wirkung nicht erwiesen
Dabei sei gar nicht geklärt, ob die pharmakologischen Formen des Gehirndopings wirken und tatsächlich die intellektuelle Leistungen verbessern. "Wissenschaftliche Studien zeigen meistens nur eine geringe Wirksamkeit. Die Anwender dagegen geben in Befragungen oft an, dass die mit der Wirkung zufrieden sind. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen, darunter auch der Placebo-Effekt." Eine systematische Zulassung wäre sinnvoll, da man dadurch Substanzen ebenso auf ihre Sicherheit prüfen kann wie dies bisher im Heilmittelrecht bekannt ist, so die Expertin. "Häufig wäre es jedoch auch möglich, gesellschaftliche Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich die Einnahme derartiger Mittel erübrigt."
Quelle: pte
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