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Wenn Kinder und Jugendliche in abgedunkelten Räumen vor dem PC sitzen, wissen Eltern oft nicht, was sie davon halten sollen. Dabei könnten sie bei aller gebotenen Vorsicht von ihrem Nachwuchs durchaus noch etwas lernen.

Computerspiele Kinder

Computerspiele für Kinder und Jugendliche sind so etwas wie die BILD Zeitung oder früher Modern Talking. Millionen geben dafür Geld aus und beschäftigen sich damit, aber nachher will es keiner gewesen sein. Oder vielleicht fällt Ihnen ganz persönlich eine Fernsehsendung ein, die Sie ab und zu gerne sehen, von der Sie aber Ihre Freunde und Kollegen glauben machen, Sie wüssten Details darüber wenn, dann bestenfalls aus dem Feuilleton.
Um es kurz zu machen: Computerspiele haben einen enormen Einfluss, aber keinen besonders guten Ruf. Sie stehen im Verdacht, Gewalt und Realitätsferne in die Köpfe und Herzen unserer Kinder zu pflanzen und werden selbst von sehr dubiosen Vereinigungen wie dem Verband der amerikanischen Waffenlobby übel beleumdet.

Eltern, deren Kinder viel Zeit mit Computerspielen verbringen, verstehen ihren Nachwuchs oft einfach nicht – und zwar in doppelter Weise. Zum einen bringen sie kein Verständnis dafür auf, was Kinder da eigentlich genau tun und warum es sie so fasziniert. Und zum anderen finden sie es vollkommen unverständlich, warum sie andere Dinge dafür nicht tun. Denn Eltern müssen meistens feststellen, dass Computerspielen ein sehr exklusives Hobby ist. Wer sich vor dem Rechner über den Teamspeaker (eine Art Telefonkonferenz, über die man sich zum aktuellen Geschehen im Spiel abstimmt) mit seinen Freunden unterhält, der wird sie nicht draußen treffen, um in den Park zu gehen, Sport zu machen oder gemeinsam rumzuhängen. Stattdessen trennen sich Kinder und Jugendliche räumlich, um virtuell wieder zusammenzukommen.
Eltern finden das seltsam: Was soll das? Was machen die da? Wie ist es möglich, in eine augenscheinlich so monotone Beschäftigung so viel Zeit zu investieren? Wo bleibt da der menschliche Kontakt?

Zugegeben: Es ist auch schwer nachzuvollziehen. Sie und ich, wir sind keine Natives (also Menschen, die von klein auf den Umgang mit digitalen Medien gelernt haben) in der Welt ihre Kinder. Wir sind alte Leute, die einfach keine Ahnung haben und aufgrund irgendwelcher überkommener Vorstellung nicht gewillt sind, den medialen Wandel anzuerkennen. Ihre Kinder sitzen nämlich nicht sinnlos zockend vor dem Bildschirm – sie betreiben E-Sport. Vielen von uns ist es unmöglich, eine Gleichwertigkeit von analogen und digitalen Beschäftigungen zu akzeptieren, zumindest wenn es um den Umgang mit Computerspielen und sozialen Medien geht. In anderen Bereichen funktioniert das problemlos.
Oder wann haben Sie Ihren letzten, handschriftlichen Brief geschrieben? Wann waren Sie zuletzt bei der Bank, um vor Ort ein Überweisungsformular auszufüllen, statt es bequem von zu Hause aus online zu machen? Wann fanden Sie es das letzte Mal in Ordnung, wenn sich Ihre Kinder nicht bei Ihnen melden, obwohl sie Handys dabei haben? Sie hatten doch früher auch keins.

Was befähigt Eltern dazu, so schnell und gründlich zu unterscheiden? Handynutzung und Referatsausarbeitung am Computer – ja; sich mit Freunden bei WoW zu einem saftigen Raid (virtueller Beutezug) verabreden – nein.

Ganz so einfach ist es nicht. Der Umgang von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Medien birgt Gefahren und Möglichkeiten. Diese Welt zu ignorieren und zu dämonisieren entfremdet Eltern nur mehr von ihren Kindern. Sie verbieten ihnen ja auch nicht die Lektüre von Goethes Werther, weil es nach dessen Erscheinen junge Männer in ganz Europa für angebracht hielten, sich das Leben zu nehmen. Ein Buch ist einfach nur ein Medium, daran ist nichts an sich gut oder schlecht – genau wie an einem Computerspiel. Und schmökern ist nicht zwingend besser als zocken. Wenn Sie anfangen mit Ihren Kindern über Computerspiele zu reden, dann werden Sie vielleicht erfahren, was sie daran so begeistert. Nicht das Medium, sondern eine gute Geschichte. Das ist heute so wie früher. Haben Sie sich nicht in Ihrer Kindheit vorgestellt, Sie wären der Held oder die Heldin in Ihren Lieblingsbüchern/-comics/-filmen? In diesem Zusammenhang sind Ihre Kinder einfach ein Stück weiter und leben Ihre früheren Träume. Sie klicken ihre Helden und Heldinnen durch virtuelle Welten und weisen sie an, was zu tun ist. Und die meisten von Ihnen schaffen es schließlich, der Held oder Heldin die ihres eigenen Lebens zu sein. Das haben Sie ja schließlich auch geschafft.

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Über den Autor: Nils Pickert ist gebürtiger (Ost-)Berliner, lebt und arbeitet als freier Autor und Texter in Süddeutschland. Er ist passionierter Koch und Vater zweier Kinder.

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