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Somewhere over the Rainbow

Frankreich wird es aller Wahrscheinlichkeit nach tun. Großbritannien ist auf dem besten Wege. Das erzkatholische Spanien macht es seit über sieben Jahren und in Schweden tut es sogar die evangelische Kirche. Die Rede ist natürlich von der Gleichberechtigung für homosexuelle Paare mit allem was dazu gehört – und das sind selbstverständlich auch Kinder. Der deutschsprachige Raum ist da sehr zögerlich. Dabei kann es doch nicht so schwer sein, Menschen darin zu bestärken, Verantwortung zu übernehmen.

Regenbogenfamilien

Wenn es um die Möglichkeiten einer Adoption von Kindern für Schwule und Lesben geht, verweist man in Deutschland gerne auf zwei Dinge: Zum einen darauf, was in puncto Gleichstellung schon alles erreicht worden ist und zum andern auf die angebliche Notwendigkeit, das Zusammenleben von Homosexuellen in wenigen aber wichtigen Details anders als das von Heterosexuellen zu regeln. Die zwei wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang lauten also

1.    Was wurde erreicht?
2.    Wozu sollte eine Unterscheidung notwendig sein?

In der Tat wurden mit der Schaffung der eingetragenen Lebenspartnerschaft für Homosexuelle viele Missstände beseitigt, die Zeugnis dafür waren, dass in Deutschland Gleichberechtigung nur behauptet werden muss, anstatt sie aktiv zu befördern wie es Artikel 3 des Grundgesetzes vorsieht. Allerdings verhält sich die tonangebende Regierungspartei wie ein störrisches Maultier bei brütender Hitze: Es sackt irgendwo im Schatten zusammen und ist nur wieder zu bewegen, wenn man es dazu mit Schlägen nötigt. Im Falle der CDU/CSU sind diese Schläge vor allem juristischer Natur. Seit einigen Jahren arbeiten der europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht nun schon gemeinschaftlich daran, den deutschen Gesetzgeber auf Trab zu bringen. Allerdings können diese Organe nicht von sich aus tätig werden, sondern sind auf die Willensstärke und die ausreichenden finanziellen Mittel von Frauen und Männern angewiesen, die ihre Rechte einklagen.

Das hat in Deutschland lange Tradition. So musste sich die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 beispielsweise erst darauf verklagen lassen, Frauen in der Bundeswehr an die Waffen zu lassen. Diese Klage war nicht etwa gegen die Bundeswehr gerichtet, im Gegenteil. Der Bundeswehrverband hat die Klage damals aktiv unterstützt und finanziert, weil die Regierung sich gegen jede gesellschaftliche Realität an untragbare Verhältnisse geklammert hat.
Mit der Gleichberechtigung von Homosexuellen ist es ähnlich. Es wurde einiges erreicht, aber nichts geleistet, weil jedes noch so kleine Zugeständnis dem Gesetzgeber erst in mühevollen Kraftakten abgerungen werden musste. Wenn Deutschland schon sein Geld für die steuerliche Bevorteilung von Ehegatten verplempert, dann doch bitteschön für alle in gleicher Weise. Aber nein, da musste erst ein verpartnerter Mann klagen.
Unwillig brüllt das Maultier, rafft sich auf und zuckelt in die angewiesene Richtung. Immer widerwillig, immer unter Protest. Und wenn „diese Leute“ die beiden christlichen Volksparteien Deutschlands – denn nur um die geht es – schon zu etwas zwingen, was sie ihnen eigentlich gar nicht erlauben wollen, dann sollen sie für „diese Sache“ gefälligst draufzahlen und sie irgendwo machen, wo es keiner sieht. In KFZ Zulassungsstellen zum Beispiel. Dort finden Schwule und Lesben genau den Rahmen für ihre Verpartnerung, den nach wie vor viele in der christlichen Union dem Ereignis für angemessen halten.

Womit wir bei dem Grund für dieses ganze Affentheater wären: Man muss ja wohl Unterschiede zwischen homosexuellen und heterosexuellen Paaren machen. Man kann doch nicht ernsthaft meinen, dass…
Doch kann man. Kindern aus Regenbogenfamilien geht es gut. Man fragt sich, wie jemand auf die Idee kommt, es könnte anders sein. Denn der wichtigste Unterschied zwischen gegen- und gleichgeschlechtlichen Paaren ist nicht etwa die sexuelle Präferenz. Es ist vielmehr die Tatsache, dass Homosexuelle gar nicht erst in die Verlegenheit kommen, sich den Luxus zu leisten vorschnell und gedankenlos Kinder zu bekommen. Heterosexuelle können hingegen aus den seltsamsten Gründen Kinder in die Welt setzen: Weil sie jung sind, weil sie dumm sind, weil man ein Kondom nicht zweimal benutzen sollte. Um ihre Beziehung zu retten, etwas gegen Langeweile zu unternehmen oder seinem Leben ganz auf die Schnelle eine neue Richtung zu geben.

Eine Adoption hingegen ist ein monatelanger Prozess, dem zumeist eine sehr intensive Beschäftigung mit der Thematik vorausgeht. Aber ausgerechnet den Menschen, die sich am konsequentesten darauf vorbereiten, Verantwortung zu übernehmen, enthält man sie vor. Und warum? Weil die christliche Union sich diesbezüglich im Gegensatz zu allen anderen im Parlament vertretenden Parteien ein Familienbild anmaßt, wie es sonst politisch bezeichnenderweise nur noch von der NPD geteilt wird. Die Einigkeit darüber, was gottgefällig ist und was nicht, was Kindern auf gar keinen Fall gut tun kann und was man trotz gegenteiliger Zeitgeistentwicklung gerne irgendwie eklig findet, sollte christlichen Volksparteien zu denken geben.

Irgendwie eklig ist daran überhaupt nichts. Stattdessen ist es – nicht nur irgendwie – sondern ausgesprochen peinlich, mit welch starrer Behäbigkeit sich Deutschland davor drückt, dass Richtige zu tun. Sicher gibt es Länder, in denen die Verhältnisse weitaus schlimmer sind als hier und in denen Menschen nur davon träumen können, ihre gleichgeschlechtliche Liebe zu einem anderen Menschen so frei ausleben zu können wie es Homosexuelle in der Bundesrepublik dürfen. Aber gerade die Tatsache, dass es für Deutschland eine Kleinigkeit wäre, die entsprechenden Schritte in die Wege zu leiten, macht es so unerträglich.

Und das beantwortet übrigens auch eine Frage, die in diesem Zusammenhang sehr oft gestellt wird: Müssen wir wirklich um Schwule und Lesben so ein Gewese machen? Wieso bestimmt eine kleine Minderheit so sehr die gesellschaftliche Wahrnehmung?
Leider müssen wir. Wir müssen, weil etwas längst Überfälliges immer noch nicht erledigt ist. Es macht keinen Sinn, diese Situation den Schwulen und Lesben vorzuwerfen. Stattdessen wäre es besser, wenn möglichst viele dem Maultier ordentlich eins mitgeben. Denn momentan sehen wir alle ziemlich schlecht dabei aus, wenn Menschen die wichtigsten Dinge, die eine Gesellschaft ausmachen, vorenthalten werden: In familiärer Verantwortung füreinander einstehen und sich um Kinder zu kümmern. 

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Über den Autor: Nils Pickert ist gebürtiger (Ost-)Berliner, lebt und arbeitet als freier Autor und Texter in Süddeutschland. Er ist passionierter Koch und Vater zweier Kinder.

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