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Zeckenbisse

Kaum mit meiner Frau zurück aus dem Kurzurlaub in Rom (was ich jedem nur ans Herz legen kann: wir haben die Kids bei Oma einquartiert und hatten 3 – leider viel zu kurze – wundervolle Tage in dieser einmaligen Kulturmetropole), habe ich mir gedacht, dass ich die einsame Bahnfahrt von Hamburg nach Berlin, während meine Frau mit den Kindern in Hamburg bei Oma und Opa verblieben ist, nutzen könnte, um ein paar Tage verspätet, etwas Neues zu schreiben. Wer ein paar Tipps zu einer solchen Reise haben möchte oder sich vielleicht sogar einen kurzen Reisebericht (mal auf Abwegen der Kolumne) auf freshdads.com wünscht, der kann mich gerne kontaktieren ;)

Aber nun zum eigentlichen Punkt: Besonders an den römischen Grünanlagen fiel mir auf, dass sich viele Menschen auf den Rasen schmeißen und ein wenig in der Sonne entspannen (was auch daran liegen mag, dass nicht jeder Winkel mit Hundekot bedeckt ist, wie wir das hier oft erleben…). Das ist an sich eine angenehme Sache, kann aber unbedacht schnell einen kleinen und hoch ansteckenden Nachteil mit sich bringen: Zecken! Und um auf Zecken zu treffen muss man nicht extra nach Rom fahren (das war auch nicht unsere Intension) - wir haben, durch unser Wetter, genug davon in Deutschland. Ein einziger dieser kleinen Blutsauger kann unbehandelt ein ganzes Menschenleben vernichten oder es zumindest sehr unangenehm gestalten – das gilt sowohl für Sie als auch für Ihr Kind.

Zeckenbiss Erste Hilfe

Jetzt denkt sicherlich der ein oder andere: Was erzählt der Rescuedad da gerade für einen Quatsch und warum macht er sich denn Sorgen um irgendwelche Menschen, die sich auf den Rasen legen. Schließlich leben Zecken doch auf Bäumen, oder? Tun Sie das wirklich? Wo leben Zecken denn nun wirklich? – Ich möchte Ihnen die 200. Wiederholung dieses Beitrags bei Galileo einfach ersparen und kurz vorgreifen: Tatsächlich halten Zecken sich in Gräsern auf, mit Vorliebe in hohen Gräsern. Sie verweilen nicht ihr Leben lang irgendwo auf einem Ast und warten darauf, dass die richtige „Beute“ vorbeiläuft, um sich dann in einer halsbrecherischen Aktion runterzustürzen, in der Hoffnung, dass keine Windböe kommt, die sie davonweht und wieder vor die Aufgabe stellt, diesen hohen Baum zu erklimmen, damit der nächste Angriff gestartet werden kann. Den lieben langen Tag versteckt man sich dafür im Gras, in der Hoffnung, dass jemand oder auch etwas vorbeikommt, das leckeres und frisches Blut mit sich führt – ob Erwachsener, Kind, Hund oder Katze ist egal – der Erste der durch‘s Gras läuft und freie Angriffsflächen bietet, wird zum Opfer. Die Zecke wird abgestriffen und kaum am Blut- und somit Futterlieferanten angekommen, sucht sie sich eine schöne, dunkle und warme Stelle zum Andocken.

Vorzugsweise handelt es sich bei diesen Stellen dann um Achselhöhlen, die Leistenregion mit Genitalbereich, die Hals- und Kopfregion, den verlängerten Rücken (besonders beliebt der Bereich zwischen den Pobacken), die Kniekehlen, die Bereiche zwischen den Zehen, aber auch jeder andere Ort am Körper ist möglich: Denn wo zugebissen wird, das entscheidet die Zecke selbst.

Wie Sie also merken, haben wir das Thema der Vermeidung damit schon abgehakt: Kein Umhergelaufe durch hohe Gräser ohne ausreichenden Schutz! Also lieber eine lange Hose und festes Schuhwerk an und im Bereich von hohen Gräsern die Hose dann noch in die Socken stecken – sieht zwar doof aus (ich hoffe mich lyncht jetzt keiner, denn es gibt da draußen tatsächlich Menschen die täglich so rumlaufen und auch noch stolz darauf sind. Für mich ist das die Steigerung von Tennissocken in Sandalen oder zumindest gleichzusetzen, aber ich weiche schon wieder vom Thema ab), aber es hilft! Die Zecke wird abgestriffen, findet keine Möglichkeit sich irgendwo festzubeißen und verschwindet wieder in den Gräsern um auf den nächsten potenziellen Kandidaten zu warten. Oder wenn das nicht möglich sein sollte, da es wieder brütend heiß ist und man mit einer kurzen Hose unterwegs ist: Einfach hohe Gräser meiden. Es gibt natürlich auch in diesem Bereich das ein oder andere Spray, von denen mich bisher keines überzeugen konnte, aber die 100%-ige Garantie haben Sie damit leider auch nicht. Dementsprechend kann ich auch keines empfehlen – vielleicht aber Sie selbst? – Dann immer raus damit!

Wichtig ist es aus die durchaus üblichen Warnungen wirklich wahrzunehmen. In Gebieten mit extremen Zeckenaufkommen wird rechtzeitig eine Warnung ausgesprochen, und das tut man definitiv nicht aus Spaß!

Was aber tun, wenn die Zecke bereits zugebissen hat? Warten bis Sie abfällt? Sekundenkleber? Ausdrücken? Rausziehen? Und wenn man sie zieht soll man nach links oder rechts drehen, oder lieber doch gar nicht drehen? Und womit soll man Sie ziehen?

Sekundenkleber? - Eine sehr nette und sympathische Idee… Ich mag Zecken auch nicht, aber ich mag es noch weniger wenn diese kleinen „Mistviecher“ im Todeskampf dazu übergehen ihren kompletten Mageninhalt und somit sämtliche Keime und Krankheitserreger in mir zu versenken. Genau das würde nämlich passieren, wenn man mit der chemischen Keule, egal welcher Art und Weise, an die Sache herangeht. Die Zecke lebt lange genug um sich wehren zu können und wenn Sie sich wehrt, dann bekommen wir eine pure Erregersalve ab. Also nicht ganz so toll wie gedacht.

Ausdrücken? – Öhmmmm… NEIN! Warum nicht? Dann kann ich auch genauso gut die Sekundenkleber-Variante wählen, zumindest hätte ich dann deutlich weniger Matschepampe an den Fingern. Das Ergebnis wäre jedoch das gleiche wie beim Sekundenkleber, nur dass ich auch noch aktiv dabei helfe die Erreger in meinem Körper zu platzieren, denn ich pumpe Sie quasi in mich oder mein Kind hinein.

Warten? – Bitte nicht! So eine Zecke saugt und saugt und saugt und verteilt in dieser Zeit immer weiter schön Erreger in uns.

Eine Zecke sollte also so schnell wie möglich und vorsichtig, ohne Sie zu zerdrücken entfernt werden. Das macht man am besten in dem man sie rauszieht und zwar in gerader Art und Weise, einfach vom Körper weg. Eine Zecke muss keine Pirouetten, weder nach links noch nach rechts, drehen um erfolgreich entfernt werden zu können. Nehmen Sie eine Zeckenzange oder eine Zeckenkarte (einfach Mal in der Apotheke nachfragen oder im Internet stöbern, denn diese Karten bekommt man teilweise auch gratis zur Verfügung gestellt) und so weit wie möglich unten am Kopf ansetzen um sie rauszuziehen. Ist der Widerstand zu groß oder man hat Panik, dann leicht, mit Karte oder Pinzette, an der Zecke ziehen und nach 5 Minuten noch einmal versuchen. In der Regel fühlt sich das kleine Biest dann so gestört, dass es langsam vom Opfer ablässt ohne haufenweise Erreger zu injizieren.

Jetzt schreibe ich hier die ganze Zeit von Erregern, aber was kann eigentlich übertragen werden und warum ist das so gefährlich? – Die am häufigsten übertragenen Krankheiten sind Borreliose und FSME – Frühsommer-Meningoenzephalitis.

Borreliose wird durch Bakterien übertragen und führt unbehandelt über kurz oder lang zu diversen Problemen, die teilweise erst nach Monaten oder Jahren auftreten: Was mit Symptomen eines grippalen Infekts beginnt führt mit der Zeit (mit symptomfreien Intervallen) zu chronischen (dauerhaften) Gelenkschmerzen, neurologischen Ausfällen (bis hin zu Lähmungserscheinungen), über Herzgefäßerkrankungen, Konzentrationsschwierigkeiten und zu extremer Müdigkeit. Neben den typischen Grippesymptomen taucht meist die sogenannte Wanderröte auf: um die Bissstelle herum bildet sich ein rötlicher Ring oder auch ein Doppelring.

FSME wird durch einen Virus hervorgerufen, der zunächst innerhalb der ersten drei Wochen zu grippeähnlichen Symptomen führt, die innerhalb weniger Tage wieder abklingen.  Nach 3-4 Wochen gibt es dann einen zweiten Krankheitsschub mit heftigem Fieberanstieg, bei dem das Hirn- als auch die Hirnhäute sich entzünden und zu ähnlichen Erscheinungen wie bei einem Sonnenstich führen können, jedoch in Lähmungen und Bewusstlosigkeit ausufern können und teilweise über Monate anhalten – diese können aber auch nach Monaten vollständig ausheilen.

Während Borreliose mit Antibiotika behandelbar ist, kann man bei FSME nur unterstützende Medikamente gegen Schmerzen verabreichen und das Ende der Erkrankung, unter Bettruhe, abwarten.

Das möchte man weder sich selbst, noch seinem Kind antun, oder?

Also vorbeugen statt Nachsicht haben!

Sollte ihr Kind tatsächlich gebissen worden sein, dann sollten Sie, nach Entfernung der Zecke, ihren Kinderarzt aufsuchen. Dieser dokumentiert den Zeckenbiss, kontrolliert die eventuelle Wanderröte und wird sich auch noch 3 Wochen später, bei einer zweiten „Grippewelle“ noch an den Zeckenbiss erinnern, während Sie vielleicht, vor lauter Arbeit und Stress, gar nicht mehr daran denken.

Im besten Fall, nehmen Sie sogar die Zecke mit, denn dann könnte Sie im Labor auf Erreger untersucht werden – vielleicht lässt sich eine Erkrankung durch den entsprechenden Test an der Zecke komplett ausschließen und sie können wieder ruhig schlafen.

Was wenn Kopf oder Beißwerkzeug abreißen und in der Haut bleiben? Schlimm? – Sieht zwar nicht schön aus, ist aber nicht gefährlich. Die Zecke ist kein Wunderwerk, dem der Körper nachwächst wie bei Echsen der Schwanz. Die Erreger befinden sich nicht im Kopf selbst und so ist das einzige womit sie rechnen müssen, dass es zu einer minimalen Entzündung kommt, durch die der Fremdkörper abgestoßen und entfernt wird.

Nun ist der Beitrag schon länger geworden als erwartet und eigentlich könnte ich noch viel mehr dazu erzählen, hoffe aber einfach, dass ich hiermit einen guten Einblick verschafft habe und beantworte gerne Rückfragen, auch wenn ich es mit hoher Wahrscheinlichkeit, auf Grund von Akten- und Aufgabenstapeln, nicht sofort werde tun können.

Ich wünsche nun eine ruhige und schöne Woche und vergessen Sie nicht ihr Kind nach dem nächsten Wald- und Wiesenbesuch ordentlich nach Zecken abzusuchen, genauso wie ausreichend vorzubeugen!

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Autor: Slawomir Ernst (Rescuedad) ist verheiratet und Vater von vier Söhnen. Zurzeit ist er als Schulleiter einer Berliner Rettungsdienst-Akademie und Ausbilder in der Breitenausbildung (Bereich Erste Hilfe, Erste Hilfe am Kind und Lebensrettende Sofortmaßnahmen) tätig. Ab und zu trifft man ihn auch noch auf einem Rettungs- oder Krankenwagen.

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