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Wann habe ich das letzte Mal ein Suppenhuhn im Supermarkt gesehen?

Ein Thema, über das man früher oder später unweigerlich stolpert, wenn man sich näher mit Ernährung beschäftigt, ist das Thema Fleisch. Genauer gesagt Fleisch essen. Oder eben nicht.  
Kolumne | Martin Forster

Suppenhuhn

Das Thema eignet sich hervorragend für ideologische Grabenkämpfe. Grundsätzlich bemüht, mich an solchen nicht zu beteiligen, bin ich für mich persönlich noch zu keinem endgültigen Schluss zu der Frage gekommen.

Vor ein paar Tagen hatte ich jedoch wieder Anlass, mir wieder grundsätzlichere Gedanken dazu zu machen. Wir hatten Hühnersuppe. Heutzutage ist es gar nicht mehr so leicht, ein Suppenhuhn dafür zu bekommen. Aber das haben wir uns zu einem Gutteil selbst zuzuschreiben, weil wir im Supermarkt eben lieber zu den einzelnen Teilen eines Huhns greifen. Oft geht dadurch auch das Bewusstsein verloren, dass es sich dabei einmal um ein Lebewesen gehandelt hat.

Unser Suppenhuhn kam aus dem eigenen Garten.  Wenn man dann das Huhn unzählige Male aus den eigenen Gemüsebeeten vertrieben hat kann man schon fast von persönlicher Bekanntschaft sprechen und das Ende im eigenen Suppentopf entbehrt nicht einer gewissen Ironie des wechselseitigen Schicksals.

Das Schlachten, Rupfen und Ausnehmen übernahm ein Nachbar. Wir waren teilweise dabei, zum ersten Mal. Spannend war zu beobachten wie der Bub damit umging. Das Schlachten selbst versuchte er zu meiden, alles andere verfolgte er mit kindlichem Interesse. Mein Eindruck war schon, dass im durchaus bewusst war, was vor sich ging. Nach dem Essen war es auch er, der von sich aus artikulierte, dass diese Suppe „anders“ war.

Ich selbst war sehr überrascht davon, wie anders so ein Huhn aus natürlicher Haltung schmeckt. Das liegt natürlich hauptsächlich daran, dass industriell erzeugte Hühner ganz anders ernährt werden. Es geht dabei weniger um einen guten oder schlechten Geschmack, sondern eher darum, dass unsere Vorstellung, wie etwas schmecken soll oder darf, entscheidend dadurch geprägt wird.

In meiner Kindheit wurde Hühnersuppe noch relativ oft gekocht, und zwar nicht aus irgendwelchem Pulver, sondern mit Hilfe eines ganzen Huhns, einem Suppenhuhn eben. Auch das ist ein Umstand, der zu denken gibt. Wann habe ich das letzte Mal „echte“ Hühnersuppe gegessen?

Die Frage lautet nun: Hat das Ganze unsere momentane Einstellung zum Fleischkonsum verändert? Die Antwort lautet ja und nein. Es hat uns wieder dazu gebracht uns mit dem Thema zu beschäftigen, unseren momentanen Gewohnheiten hat es jedoch nicht verändert.

Es hat uns vor Augen geführt, wie verzerrt das Bild ist, das uns Marketingstrategen gerne von der Fleischproduktion zeichnen. Die weniger schönen Aspekte werden bewusst verschwiegen und wir als Konsumenten nehmen die Gelegenheit nur zu gerne wahr diese auszublenden.

Wir (als Familie) sind noch lange nicht durch mit dem Thema. Momentan haben wir meistens einmal in der Woche Fleisch, selten auch zweimal. Das Fleisch versuchen wir von regionalen Bauern zu bekommen, ansonsten kaufen wir Biofleisch.

Ich bin gespannt in welche Richtung wir uns als Familie diesbezüglich weiter entwickeln. Solche Entscheidungen für sich selbst zu treffen ist eine Sache. Solche Entscheidungen gemeinsam mit der Familie zu treffen eine andere. 

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Über den Autor: Martin Forster ist verheiratet und Vater eines Sohnes (7) und einer Tochter (1). Nach 35 Jahren als überzeugter Städter lebt er mit seiner Familie seit rund 2 Jahren auf dem Land. Momentan befindet er sich in einjähriger Väterkarenz und steht damit vor Herausforderungen auf die ihn das bisherige Leben nicht vorbereitet hat. Im Berufsleben ein chronisches Opfer schlechter Essensgewohnheiten gilt es nun die schwierige Aufgabe zu bewältigen, den Nachwuchs und sich selbst gesund und vernünftig zu ernähren ohne an der modernen Lebensmittelindustrie zu verzweifeln. Weitere Erfahrungen rund um die Zeit zuhause bei den Kindern hält er in seinem Blog "BabyBusiness - Einjährig freiwillig" unter www.babybusiness.at fest.

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